Berliner Briefe.
637
versehen. Ueberhaupt geht ein wesentlicher Theil der neueren Kunstthä-
tigkeit am hiesigen Orte darauf hinaus, das was an den Monumentalbau-
ten der vorigen Regierungsperiode unvollendet geblieben ist, ganz zu
Ende zu bringen. Zu den wichtigsten Unternehmungen dieser Art gehört
ohne Zweifel die Vollendung der Schlossbrücke, deren mächtige Granit-
podeste nun endlich mit den schon von Schinkel projectirten colossalen
Marmorgruppen von Victorien und Kriegern geschmückt werden sollen.
Die Seulpturen sind, so viel mir bekannt, hiesigen Bildhauern in die
Arbeit gegeben; über die Zeit der etwaigen Aufstellung weiss ich aber
noch nichts zu sagen. Die dem Opernhause gegenüber belegenc Haupt-
wache hat im Giebel ihrer Vorhalle das von Schinkel ebenfalls projectirte
Relief bereits erhalten. Es ist, nach seiner Composition, die Darstellung
eines kriegerischen Kampfes unter dem Geleit der Minerva, von nicht
unwürdiger Ausführung, obgleich etwas dünn oder zerstreut im Eindruck.
Auch die Seitenwände der Freitreppe des Schauspielhauses sollen, wie
man versichert, demnächst ihre bekrönenden Sculpturen erhalten. Dann
gehört hierher die noch immer sehr isolirt stehende sogenannte "Friedens-
säule" inmitten des Belle-Alliance-Platzes am Hallischen Thore. Es heisst,
dass die Marmorgruppen, welche sie umgeben sollen, nach hiesigen Mo-
dellen in Carrara gearbeitet werden. Es scheint mir übrigens die aller-
höchste Zeit, dass sie zur Aufstellung kommen; zu unsern Seiten sind so
viele Wetter aufgestiegen und unter unsern Füssen rollt es so seltsam,
dass nur allzurasch die Zeit eintreten könnte, wo Friedensdenkmale wun-
derlich aussehen möchten.
Zu den künstlerischen Beendigungen, die hier in den letzten Jahren
an der Tagesordnung gewesen, gehört auch der Restaurationsbau der alten
Klosterkirche. Sie entsinnen sich des alten schlichten Baeksteingebäudes
3115 frühgüthlsßhßr Zeit inmitten unsrer City, das verkommen und halb.
verfallen unter dem Lärm des Tages dalag; wir hatten uns ein paarmal
hlneingetllichtet und uns dort dem Träumen über vergangene Zeiten hin-
gegeben. Die Kirche ist jetzt im Innern möglichst in ursprünglicher Weise
hergestellt und macht nach Entfernung der Tünehe von den soliden Back-
steinen und den sparsamen plastischen Ornamenten , nach Auffrischung
der in den Füllungen etc. angewandten farbigen Zierden einen sehr eigen-
thümlichen Eindruck. Auch die alten Bilder und Schnitzwerke, die sie
enthält, sind reparirt, neu aufgestellt und durch einige, in ihrer absieht-
lichen Strenge doch nicht sehr ansprechende Fresken von C. Her-
mann vermehrt. lm Aeussern hat man sich aber nicht mit blosserRepa-
ratur des einfachen Gebäudes begnügt. Man hat zu den Seiten des
Portales ein Paar achteckige Thürme vorgebaut, die mit schlanken, reich
ornamentirten Spitzen versehen sind; ebenso ist der Giebel mit einem
Thürmchen bekrönt werden, dessen Spitze gar, nach rheinisch-gothischer
Art, durchbrochen gehalten ist. Diese Dinge wollen" zu dem ehrlichen
alten Gebäude nicht sonderlich passen; es ist, als ob ein schlichtes Ma-
tronengesicht sich mit einer tändelnden Blondenhaube schmücken wollte.
Ein zweiter unlängst vollendeter Umbau, aber von ganz andrer Art,
ist der des Kriegsministeriums in der Leipziger Strasse. Das lange Ge-
bäude, früher im einfachen Rococostyl, ist durch Aufsetzen eines neuen
Obergeschosses zu einer mächtigen Masse angewachsen und erscheint jetzt
in Formen, die etwa der tlorentinischen Renaissance entsprechen. Es ist
leider nur in dem Ganzen keine recht wirksame Disposition, und beson-