läerliner Briefe.
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Aus der Vorhalle des Museums gelangt man unmittelbar in die Ro-
tunde, vor deren Rundmauer die griechisch-korinthische Säulenstellunq
herumläuft, und die durch die Oeifnting in der Mitte der Kuppel ihr feier?
liches Licht erhält. Das Bild der Rotunde wird Ihnen noch vorschweben;
wir waren beide der Meinung, dass dies der schönste Raum Berlins sei
und dass wir überhaupt keinen Rundbau von edleren Verhältnissen und
reinerer Durchbildung namhaft zu machen wüssten. Wir betrachteten die
Rotunde überhaupt als die Perle unter SchinkeFs architektonischen Lei-
stungen. Sie entsinnen sich: auf der Gallerie über den Säulen, in flachen
Wandnischen, standen kleine antike Sculpturen, meist von geringem
Werth, über die wir oft scherzten, wenn wir daran vorübergingen; für
den Eindruck der Räumlichkeit an sich, zumal von unten aus gesehen,
für die feierliche Wirkung der grossen, zwischen den Säulen aufgestellten
Götterstatnen kamen jene aber nicht in Betracht, und für das Maass des
Ganzen, für die Totalwirknng des Raumes, mochten sie nicht völlig ohne
Einfluss sein. Hiebei sind neuerlich bedeutende Veränderungen vorge-
gangen. Die Suite der alten Tapeten nach Raphael (mit den vatikanischen
Exemplaren wohl von ganz gleicher Beschaffenheit), die für unser Museum
erworben wurde, ist auf der Gallerie der Rotunde aufgestellt, so dass durch
sie die Nischen verdeckt werden und der ganze Raum bis zum Ansatz der
Kuppel ausgefüllt ist. lch kann die Durchführung dieser ldee nur sehr
schmerzlich bedauern. Es sind allerdings vortreffliche alte Copieen nach
Raphael und merkwürdige Zeugnisse hochentwickelter alter Industrie. Aber
fürs Erste sind Slß, wie natürlich, gänzlich und nach den versghjpdengn
Farben in verschiedener Weise verschossen und schon daher in einem
Raume, der, 0b auch ohne allen Luxus, doch in einem eigenthümlitzh
feierlichen Glanze erscheint, nicht wohl an ihrer Stelle. Sie hätten eben
ihrer selbst willen, ein bescheidneres Unter-kommen finden sollen. yDann
hat man gar keinen genügenden Standpunkt zu ihrer Besichtigung; unmit-
telbar vor ihnen auf den Galleriecn ist man ihnen zu nah, gegenüber und
unten in der Rotunde zu entfernt. Viel schlimmer als alles Uebrige aber
ist es, dass sie die Maasswirkung der Rotunde gänzlich vernichten. Die
Darstellungen der Teppiche, die einzelnen Gestalten sind für die ihnen
hier eingeräumte Stelle viel zu gross, zu gewichtig; sie drücken die Säupm
und lassen diese wesentlich kleiner erscheinen. Sie stören nicht bloss den
von Schinkel mit so weiser Vorsicht angeordneten einfachen Rhythmus
der Farbentöne, sie heben zugleich auch das aufwärts steigende architek-
tonische Gefühl, welches bisher in der Rotunde waltete, vollständig auf.
Auch noch andre Neuerungen sind eingetreten, welche das Schinkel-
sctic Museum wesentlich beeinträchtigen. Der Hinterseitc desselben gegen-
über ist ein zweites grosses Museum aufgeführt worden, zur Aufnahme all
derjenigen Kunstsammlungen, welche in dem alten Museum kein Unter-
konimcn finden konnten. Ueber den Neubau kann ich nicht viel sagen,
da er noch zwischen andern Gebäuden, die, wie es scheint, abgerissen
werden sollen, versteckt liegt. lm Allgemeinen erkennt man daran die
reinen Einzelformen der Schinkefschen Schule; in der 'l'otalanlagc fürchte
ich einen etwas trockenen Eindruck. Doch soll dies Urtheil noch nicht
niaassgebend sein, zumal da das Gebäude an der Strasscnseite sich als
absichtlich unvollendet darstellt und es dcn Anschein hat. als beabsich-
tige man in Zukunft noch Säulenhallen oder Aehnlichcs anzubauen. Einige
tllIClWNäftS an Pilastern angebrachte Reliefsculpturexi, eine Anzahl einzel-