Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

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Berichte 
ken, 
Kriti 
Erörterungen. 
Ernst des Strebens ausgesöhnt! Ich habe einzig zu beklagen gehabt, dass 
das Material, welches hier zur Anwendung gekommen, keine wahrhaft 
monumentale Dauer hat und dass das Verderben, namentlich der schönen 
Stucco-Sculpturen, bereits beginnt.  Erinnere ich zugleich noch an das 
unter demselben Dache befindliche Bühnenlokal, und zwar an das des 
Zuschauerraumes, so tritt uns auch hier das Bild derselben künstlerischen 
Besonnenheit entgegen. In der architektonischen Anordnung und ihren 
Formen sehen wir dieselbe würdevolle Grazie, in der bildlichen Ausstat- 
tung dieselbe begeisterte Hingabe. Ja, ich glaube es behaupten zu können : 
W. Wach und W. v. Schadow haben in den Deckengemälden gerade 
dieses Raumes ihre gediegensten Meisterwerke geliefert. 
Das war Schinkel und die Zeit seiner Wirksamkeit. Wir sind die 
Erben seines Geistes und wir haben die Aufgabe gehabt, die von ihm 
ausgestreute Saat zu hüten und zu pflegen, auf dass sie zu stets erneuten 
Blüthen sich entfalte. Sein künstlerisches Gesetz war weit und frei ge- 
nug, dass wir in dessen Gefolge nimmer einem beschränkenden Regel- 
zwange zu unterliegen hätten befürchten mögen. Und in welcher Weise 
haben wir unsre Aufgabe erfüllt?  Ich bitte. folgen Sie mir in unser 
grosses Opernhaus. Sie wissen, es brannte vor einigen Jahren aus und 
musste, bei einigen mässigen Veränderungen im Aeussern, im Innern gänz- 
lich erneut werden. Lassen Sie uns eintreten: Sie fühlen sich überrascht 
durch den grossartigen Raum, der uns umfängt, geblendet durch die, wenn 
zum Theil auch nur scheinbare Pracht der Stoffe und den Glanz der tau- 
send Gastlammen. Sie prüfen mit Behagen den raftinirten Comfort dm- 
Sitzplätze, der dem SchinkePschen Schauspielhause freilich fehlt, doch 
auch ohne zu grosse Mühe dort ebenfalls einzuführen wäre. Aber Sie 
verlangen mehr: lhr Auge, kunstbedürftig und in einem Tempel der Kunst 
mit doppeltem Recht nach künstlerischer Befriedigung verlangend, schweift 
über diese funkelnde Pracht hin und wider; aber es findet keinen Punkt, 
wo es ausruhen möchte. Es ist eben ein buntes, wirres Durcheinander 
von Zier-raten und Figuren, wie es die Chablone oder die Gussform ge- 
geben haben mag, ohne organisches oder rhythmisches Gesetz, das wir 
doch in allen Kunststylen vergangener Kunstepochen. den Rococostyl nicht 
ausgenommen, vorfinden. Und blicken Sie empor zur Decke, oder blicken 
Sie lieber nicht empor,  Sie möchten Deckengemälde erwarten wie im 
Schauspielhause und würden sich leider überzeugen müssen, dass diese 
Muscn und sonstigen Göttinnen füglich nur den Beruf haben können, auf 
die Schaubilder an Putz- und Modeläden hinüberztillattern. Zwischen den 
Göttinnen aber hängt der berühmte kolossale Kronleuchter herab. dessen 
Erscheinung von unsern Zeitungen feicrlichst begrüsst wurde. Er ist aus 
einem lustigen Gewühl von Ornamenten und Figuren zusammengcpappt 
(denn er besteht aus Pappe), wie wir dergleichen aus französischen Re- 
naissance-Vorlegeblättern kennen. Vergoldete Flügelwesen tragen einen 
dichten Wald von Wachskcrzen, die eine blendende l-Ielle im weiten 
Raume verbreiten. Wachskerzen? Sie irren sich. Das ist eben die geist- 
reiche Erfindung, dass es keine sind und dass sie nur dazu dienen. die 
einzelnen Gastlämmchen zu motiviren. Wäre freilich ein Künstler mit 
dabei gewesen, so hätte ihm auch wohl einfallen können, dass Kerzen nur 
ein Nothbchelf zur Erzeugung der Flammen sind und dass, wo man über 
Flammen ohne solchen Nothbehclf disponirtzn kann, Gelegenheit zu überaus 
reizenden phantastischen Forinspielen gegeben war. Indess hätte das oben
	        
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