Richter-Album.
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nungen gefertigt sind. Wie unkünstleriseh und dem bäuerlichen Charak-
ter der alten Volksbücher entsprechend auch in diesen früheren Jahrgängen
die Holzschnitte behandelt sein mögen, so leuchtet aus ihnen dennoch ein
so eigenthümlicher, sinnig romantischer Zug hervor, dass derselbe mei-
nes Erachtens eben auf keinen andern Urheber als auf Richter schlicssen
lässt. lrre ich mich hierin nicht, so würden wir den Geist unsrer alten
Volksbücher, in den er sich solehergestalt versenkt, als den eigentlichen
Born zu betrachten haben, aus welchem er für seine Naivetät, seinen Hu-
mor, seine Gemüthliehkeit, seine idyllische oder romantische Anmuth, seine
warme Feierlichkeit, mit einem Worte: für sein ganzes deutsch volksthüm-
lichcs Wesen die entsprechendste Nahrung geschöpft. Dies hat er auf die
schier unzählbare Fülle der Leistungen, mit denen er sodann die verschie-
denartigsten Bücher geschmückt hat, übertragen. Betrachten wir dieselben
schliesslich noch unter dem Gesichtspunkt der engeren künstlerischen Kri-
tik , so werden wir die letztere allerdings bis zu einem gewissen Grade
stets nur nach Maassgabe des volksthümlichen Zweckes dieser Leistungen
in Anwendung zu bringen haben. Schon der Holzschnitt, von verschie-
denartigen Händen her-rührend. führt uns die Originalarbeit offenbar in
verschiedenartig moditicirter Weise vor, und wir haben mit dem Zeichner
nicht ohne Weiteres zu rechten, wo möglicher Weise die speeielle 'l'hätig-
keit des Holzschneiders in Betracht kommt. Doch ist in dem Vortrag im
Allgemeinen eine gewisse (wiederum dem volksthümlichen Charakter ent-
sprechende) Derbhcit vorherrschend, die überhaupt ein allzu genaues kri-
tisches Anatomisiren nicht eben zulässig macht. Und wenn uns ein oder
ein andres Mal auch ein erheblieheres Bedenken in Betreff der Forderun-
gen, welche die Natur an die Formenbildung macht, entgegentreten sollte,
so lassen wir dasselbe, wo uns im Ganzen so viel Erquickliches geboten
wird, gern bei Seite liegen.
Es 1st gewiss ein sehr glücklicher Gedanke des Herausgebers des
„R1Chte_"'A1bl1mS", uns in demselben eine Auswahl aus dem reichen Vor-
rath seiner Compositionen in Separatabdrücken und in übersichtlicher
Folge vorzuführens Das Album enthält 115 Holzschnitte auf 85 Blättern
in gross S. Es Würde allzuweit führen, wollte ich hier auf das Einzelne
des Inhalts näher eingehen, und es möge statt dessen die Bemerkung ge-
nügen, dass uns hier von allen Richtungen, in denen seine künstlerische
lürtindung sich bewegt, gehaltrciche und auch im Schnitt wohlgelungene
Beispiele dargeboten werden. DieMehrzahl der Verleger derjenigen Werke,
welche mit l-lolzschnitten nach Richter geschmückt sind, haben die Holz-
stöcke zu diesem Zweck bereitwillig mitgetheilt, und es sind die Abdrücke
hier von diesen Holzstöcken selbst (nicht von Bleiabgüssen), zugleich in
sorgfältigster Behandlung des Druckes genommen worden. Ich habe bei
Durchsicht des Albums einzig das Bedauern empfunden, dass nicht noch
mehr, nicht auch diese und jene andre Cornposition. die mir durch ihre
cigenthümlichen Vorzüge werth und lieb geworden, mit aufgenommen ist.
Indess würde es, bei der an sich schon so dankenswerthen Gabe, die eben
nur eine Ausn-ahl sein sollte, unbescheiden sein, noch mehr zu fordern,
und es kann ja ohnehin bei einer Auswahl nur das subjective Urtheil
entscheiden. Jedenfalls werden die Freunde der Richter-sehen Arbeiten,
werden die Sammler von Leistungen der vervielfältigenden Kunst das Er-
scheinen des Albums höehliehst willkommen heissen.