Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Das Bedürfniss eines zweckmässigeren Unterrichtes in der 
Malerei und plastischen Kunst. Angedentet nach eigenen Erfah- 
rungen von Ferdinand Georg Waldmüller, k. k. akadem. Rath und 
Professor. Wien, 1846. 47 S. in 8. 
(Kunstblatt 
1847, 
Die inneren Zustände unsrer Kunst sind, wie sieh dies aus dem zum 
Theil scharfen und schneidenden Gegensatze der verschiedenartigsten 
'l'endenzen ergiebt, ohne Zweifel in einer lebhaften Uebergangsperiotie 
begriffen; mit der Stellung, welche die Kunst im Verhältniss zum äusseren 
Leben einzunehmen hat, scheint es ebenso zu sein. Unter solchen Um- 
ständen kann es nicht befremden, wenn wir auch diePrincipien, welche 
dem künstlerischen Unterrichtsgange zu Grunde liegen sollen, von ähnli- 
cher Bewegung ergriffen sehen, wenn der altakadcmische Formalismus 
einerseits und der Spiritualismus der romantischen Schule andrerseits 
nicht überall mehr als zureichend erscheinen, wenn man auch für den 
Unterrichtsgang neue Wege anzubahnen oder vielmehr für die ursprüng- 
lichen, naturgemäss sich ergebenden Bedürfnisse desselben diejenige Form 
festzustellen bemüht ist, die den heutigen Verhältnissen vorzugsweise zu 
entsprechen scheint. Reformen bei den Kunstbildungsanstalten sind an der 
Tagösßrdllung. An einigen Orten sind solche schon zur Ausführung ge- 
bracht, an andern wird darüber mehr oder weniger lebhaft verhandelt. 
Auch die oben genannte Schrift giebt ihr Votum in dieser Angelegenheit 
ab. Wie mir beiläufig mitgetheilt worden. ist sie aus Debatten, welche 
bei ÖET Wiener Akademie stattgefunden haben, hervorgegangen; der Um- 
stand, dass der Verfasser mit seinen Ansichten nicht durehgedrungen, soll 
ihn veranlasst haben, mit dieser kleinen Schrift an das öffentliche Urtheil 
zu appelliren. Mir sind die Wiener Verhältnisse nicht näher bekannt, 
und es werden dieselben auch, ihrer dermaligen Beschaffenheit nach, in 
dieser Schrift. nicht weiter charakterisirt; ich kann auf dieselben also kei- 
nen sonstigen Bezug nehmen und an die Schrift nur den Maassstab des 
Urtheils für das Allgemeine anlegen. lndess hat der Name des Verfas- 
sers, eines unsrer trefflichsten Genremaler, einen so guten Klang, dass er 
auch so jedenfalls volle Berücksichtigung verdient. 
Die Anklage," welche der Verfasser gegen den heutigen Kunstunter- 
richt ausspricht, ist unter zwei Hauptpunkte zusammenzufassen: dass der- 
selbe sich über eine viel zu lange Zeit ausdehne und dass er den Jünger, 
statt zur naiven, seiner Individualität entsprechenden Auffassung der Na- 
tur, zu einer conventionellen Manier führe. Er dringt also darauf, dass 
alles zur künstlerischen Bildung Erforderliche in möglichst kurzer Zeit 
dargeboten und dass der Zögling, ohne alle weitere Vermittelung, sofort 
an die allein gültige Quelle derNatur verwiesen werde. Grundsatze, die 
im Allgemeinen gewiss nicht genug zu beherzigen sind. Alle Grundlage 
zur künstlerischen Ausbildung soll in dem Studium der Darstellung des 
menschlichen Körpers bestehen; alles Copiren von Vorzeiehnungen soll 
dabei unterlassen, vielmehr sofort nach dem Modell gezeichnet und, sobald 
nur der Schüler des Conturs mächtig ist, filme Weltües zum Pinsel.
	        
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