Veranlassung
Zllf
von Kunstwerken
Ausführung
etc.
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des 'l'heaters auf die ganze Volksbildung möge es verstatten, dass diesem
Punkte eine nähere Betrachtung gewidmet werde.
Von einsichtigen Kennern der Bühne ist schon mehrfach auf überzeu-
gende Weise dargelegt worden, dass ein Hauptgrund des allgemeinen Ver-
falls, in dem die Bühne sich trotz der künstlerischen Virtuosität einzelner
seltner Schauspieler befindet, darin beruhe, dass dem recitirenden Schau-
spiel und der grossen Oper (vom Ballet ganz zu geschweigen) ein und
derselbe Schauplatz angewiesen ist, dass hiedurch räumliche und scenische
Einrichtungen auch für das Schauspiel herrsehend geworden sind, die mit
dessen inneren Bedingnissen mehr oder weniger im Widerspruch stehen,
und dass somit das erste Erforderniss zur Herstellung der Bühne in einer
selbständigen Behandlung der äusseren Einrichtungen des Schauspiels nach
dessen eigenthümlichen Gesetzen bestehen würde. (Die kleine geschlossene
Scene für das Conversatiousstück darf als ein erster Schritt hiezu ange-
sehen werden.) Doppelt gewichtig wird diese Bemerkung in Betracht der
älteren Dramen, welche überall für ganz eigenthümliche scenische Ein-
richtungen gedichtet zu sein pflegen und sich daher nur höchst selten der
heutiges Tages üblichen Scene fügen. Die Folge hievon ist, dass Meister-
werke, deren innere Composition nach den höchsten Gesetzen der Kunst
aufgebaut ist, in der Regel auf die willkürlichste Weise verstümmelt
werden, um sie für die heutigen Zwecke benutzbar zu machen, falls man
überhaupt daran denkt, die reichen Schätze der älteren dramatischen
Poesie der Gegenwart aufs Neue vorzuführen.
Neben diesem äusseren Uebelstande ist aber auch aus inneren Gründen
das Durcheinanderspielen älterer und neuerer Dramen an einer und der-
selben Stelle höchst bedenklich. Jene sind eben der Ausdruck geistiger
Richtungen und volksthümlicher Zustände, welche der Vergangenheit an-
gehöfeüfmd flalfßr, S0 grossartig im einzelnen Falle auch das allgemein
Menschllche m Ihnen Zur Erscheinung kommen möge, doch den Strebun-
gen der Gegellwaft In gewissem Betracht fremd gegenüberstehen; sie müssen
dies um S0 mehr, als die Poesie überhaupt (im Vergleich zu den übrigen
Künsten) mehr Ausdruck des Gedankens ist und daher das. Geistesleben
mit vorzüglicher Schärfe individualisirt. In eine Reihe gestellt mit den
neueren Dramen, kann aber bei den älteren dies historisch Individuelle
nicht zu seiner nothwendigen Berechtigung kommen; sie werden vielmehr
unwillkürlich, von den Darstellern wie von den Zuschauern, stets nach
dem Maassstabe der geistigen Richtung der Gegenwart aufgefasst und da-
durch einem Völlig ungeeigneten Standpunkte des Urtheils Preis gegeben-
Sie verlieren hiedurch ganz die eigenthümliche Wirkung, die sie gleich
den älteren Meisterwerken andrer Künste hervorzubringen im Stande
wären, und so ist man, zumal bei dem krankhaften und apathischen Zu-
stande, der heutiges Tages das gesammte Bühnenwesen drückt, dahin ge-
kommen, die Reproduction des Alten, soviel es sich nur thun lassen will,
völlig aufzugeben.
Ein solches Aufgeben dessen, was doch den vielseitigsten und bedeu-
tendsten Einfluss auf das Leben auszuüben im Stande ist, kann aber vor der
Uebersicht der gestimmten öffentlichen Kunstbedürfnisse nicht als gerechtfer-
tigt erscheinen. Es dürfte vielmehr nur auf eine Erwägung der Mittel an-
kommen, welche erforderlich sind, um auch dem Drama vergangener Zeit
sein Recht auf eine entsprechende Reproduction zu sichern. Dies scheint
sich indess ganz einfach und naturgemäss dahin zu gestalten: dass das