Holzschnitt-Illustration,
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Ganz nach dem Gesetz der ABC-Bücher ist jedem Buchstaben ein eignes
Bild gewidmet, worauf, in einer lücke desselben, stets der betreffende
Buchstabe in grossen und kleinen, deutschen und lateinischen Lettern und
ausserdem die Darstellung von Gegenständen, deren Name mit jenem Buch-
staben beginnt, enthalten ist. Dies gibt also 25 Bilder, denen sich noch
ein Schlussbild und ein Titelbild anreihen. Die Gegenstände sind ver-
schiedenster Art. aus dem häuslichen und dem Natnrleben und aus dem
Kreise romantischer Interessen, an denen heuer ja auch schon die Kinder,
sei es auch nur durch die reiche Mährchen-Literatur, die für sie geschrie-
ben ist, Theil nehmen. Jeder von den zehn Künstlern, die sich an dem
Buche betheiligt, hat sich hienach die Felder der Darstellung ausgesucht,
die ihm gerade bequem waren, oder erforderlichen Falls dieselben _je nach
seiner Individualität zurechtgeriickt. Idylle, einfaches Genre, Landschaft,
humoristische und ernste Scenen wechseln in bunter Folge miteinander ab.
Nicht Alles ist gerade vom höchsten Werth und auch nicht Alles hat den
recht schlagenden ABC-Charakter. Aber man wird darum nicht so gar
scharf rechten, da doch des Treftlichcn so viel geboten wird. Die Krone
aller Darstellungen ist die der "Mutter" mit ihrem Kinde von Bendeman n;
das Bild hat eine entzückend idyllische Schönheit, wie sie aber auch fast
nur von diesem Meister erwartet werden konnte; auch der Holzschnitt
dieses Blattes, von Geller, ist bei aller Einfachheit mit classischer Mei-
sterschaft, der Richtung der besseren altdeutschen Holzschnitte entsprechend.
durchgeführt." Ansserdem hat Bendemann einen vortrefflichen "Xerxes"
mit einer ergotzlich parodischen Randglosse geliefert, sowie einen "Tanzu
VOP Tymlemt der aber nicht so vollständig befriedigend ausgefallen ist.
M" gmSScuZar-theit und Grazie ist ferner eine "Kinderwruppe" von Riet-
Sßhel gezelßhrlet und auch im Schnitt (wie es scheint ebenfalls von Geiler)
Sehr meisterhaft behandelt. Andre Blätter von Rietschel sind nicht minder
anziehen? Hübner hat in dem Schlussbilde, einem „Z-u zu, mach's
Buch zu 1_ 6'119" dbßralls aumnthigen Kinderscherz geliefert, während die
andern Bilder seiner Hand nicht. in gleicher Weise befriedigen. Eine
andre freundliche Idylle, mit Kindern und Engeln, enthält das Titelbild
von L. Richter, der sich im Uebrigen in ergötzlich humoristischen Possen
(„Bildermann" und „Quacksalber") ergeht. O. Wagner und Th. v. 0er
bewegen sich im einfacheren Genre, E. Oehme in-mehr landschaftlichen
Compositionen. deren kecke Federstriche durch den Holzschneider, E.
Kretzschmar, glücklich wiedergegeben wurden. Noch andre, mehr ro-
mantische Blätter endlich rühren von C. Peschel, A. Ehrhardt und
R. Reinick her. Der letztgenannte Künstler, der zugleich als Dichter
schon allgemein geschätzt ist, hat den Text zur Erklärung der Bilder
(96 Seiten) geliefert. Die Anlage des Ganzen war zu stattlich, als dass
hiezu einfache Fibelverse, nach Art der eigentlichen ABC-Bücher, ausrei-
chend gewesen wären; so erscheinen denn hier bald Liedchen, bald scherz-
hafte oder ernste moralische Erzählungen, bald Mährehen u. dergL, Alles
aber in derjenigen frischen Naivetät, die den Dichter dem Publikum schon
so werth gemacht hat und die hier allein am Platze ist. Die Lieder sind
ausserdem mit einfach ansprechenden Singweisen begleitet.
Wir haben den Künstlern Dresdens für die anmuthigen Gaben, die
solchergestalt durch ihr Zusammenwirken ans Licht getreten sind, aufrich-
tigen Dauk zu sagen. War es auch, trotz der vielfachen Schönheit des
Einzelnen, nicht die Absicht, hiemit gründlich und besonders tiefgreifend