Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

den 
Ueber 
Pauperismus auch in 
Kunst. 
der 
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eigentlich schon seit dem Zerreissen des naturgemässen Zusammenhanges 
zwischen Kunst und Handwerk auf ihnen haftet, dass man ihnen das Feld 
bereite, welches ihnen vorzugsweise zukommt, und dem letzteren dadurch 
seine einzig angemessene Bearbeitung sichere. Wenn auf der einen Seite 
allerdings an diese Talente selbst die Anforderung gestellt werden kann, 
dass sie ihren Beruf und die ihnen zukommende Sphäre einer segenvollen 
Wirksamkeit erkennen. so darf wohl auch auf der andern Seite der Wunsch 
ausgesprochen werden, dass man von oben herab dies Verhältniss mehr 
anlerkenne. als seither zu geschehen pflegt; dass man diese Talente nicht 
entschieden und völlig von der künstlerischen Laufbahn, wohin sie doch 
durch inneren Trieb geführt werden, zurückschrecke, sondern sie vielmehr 
auf die Stelle hinlcite, die ihnen gebührt und die doch auch sehr we- 
sentlich zur Kunst mitgehört; und dass man endlich für diejenige Aus- 
bildung, die gerade sie in Betracht ihres eigenthümlichen Berufes nüthig 
haben, die erforderlichen Mittel und Einrichtungen in Stand zu setzen 
wisse. Soviel ich weiss, fehlt es hieran noch in den meisten Fällen. Wir 
haben Schulen zur künstlerischen Bildung der Handwerker, die allerdings 
verhältnissmässig fruchtbar wirken, bei denen aber doch in der Regel nur 
auf den Handwerker gewöhnlichen Schlages (sofern sein Gewerbe über- 
haupt nur mit einer Art ästhetischer Formenbildung zusammenhängt) Rück- 
sicht genommen wird; und wir haben Kunstschulen zur ausschliesslichen 
Bildung eigentlicher höherer Künstler. Diejenigen, die ihrer natürlichen 
Anlage nach zwischen beiden in der Mitte stehen, finden sich in der 
ersteren nicht heimisch und können den Ansprüchen der zweiten, so gern 
sie es vielleicht möchten, nicht genügen. Für den Mittelstand zwischen 
Handwerkern und Künstlern, für die Kunsthandwerker, bedarf es auch 
einer Mittelschule, die vielleicht zugleich mehr organischen Zusammen- 
hang ZWiFche" jenen beiden Gattungen von Schulen hervorbringen könnte. 
GEWISS wurde die entschiednere Anerkennung des Kunsthandwerkes 
in seiner selbständigen Bedeutung allen Instanzen, die hiebei zur Sprache 
kommen, die wesentlichsten Vortheile gewähren. Der mit künstlerischem 
Trieb ausgestattete Handwerker findet hier die naturgemässe Sphäre, in 
die er sich von seinem ursprünglichen Berufe aus und ohne Gefährdung 
desselben erheben kann, während es heute nur zu oft vorkommt, dass er 
unter solchen Umständen sogleich meint, sich der Kunst selbst widmen zu 
müssen. Der Künstler, dessen Beruf zu höherer Leistung sich nicht zur 
Genüge doeumentiren will, wird hier am Besten seine Stellung im Leben 
gründen können, ohne dass er zu befürchten brauchte, bei solchem Verfahren 
von dem Kreise künstlerischer Thiitigkeit allzustreng ausgeschlossen zu wer- 
den. Das Kunsthandwerk aber wird hiebei am Sichersten diejenige Gediegen- 
heit wieder finden, die es seit dem Erlöschen der alten Innungen (in denen 
Kunst und Handwerk ursprünglich vereinigt waren) eingebüsst hat. Wie 
die Sachen gegenwärtig liegen, werden die Arbeiten des Kunsthandwerkes 
entweder durch den gemeinen Handwerker nach eigener sogenannter Er- 
findung geliefert, wobei denn nach allen beliebigen Mustern umhergesucht 
wird und diejenigen artistischen Pfuschereien entstehen müssen, von denen 
oben die Rede war. Oder ein wirklicher Künstler, gewöhnlich ein Ar- 
chitekt, liefert das Muster für den besondern Fall; wobei aber nur zu 
häufig der doppelte Uebelstand entsteht, dass sowohl der Handwerker sich 
dennoch in das Vorbild nicht zur Genüge hineinzufühlen versteht, als 
auch der Künstler sein Vorbild ohne vollständige Kenntniss der zur Aus-
	        
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