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Kritiken, Erörterungen
Berichte,
Stück, welches mit durchgebildetem Sinne gearbeitet ist! und nehmen wir
gar die Gegenstände mit iigürlicher Verzierung, wie barbarisch sind die-
selben in der Regel, zum Hohn der selbständigen Kunstwerke, die wir
unbefangen in ihrer Nähe aufstellen, gearbeitet! Wie wäre es möglich
gewesen, dass die schnöde, sinnlose Weise des modernen Rococo (das
ächte hat zuweilen seinen ganz guten Kern) die Welt überflutet hätte,
wäre in unsrem Kunsthandwerk nur irgend eine feste, anerkannte Grund-
lage gewesen! Und abgesehen hieven, welch ein Umhersuchen nach allen
"Mustern, welch ein Nachmachen, Abformen und Chabloniren, um nur
Dinge schaffen zu können, die eine Art Kunstgepräge haben (selbst da,
wo es auf sogenannt monumentale Schöpfungen ankommt, exempla sunt
odiosa)! Und endlich, Welche Ueberhäufung von Arbeiten bei denen, die
für diese Dinge wirkliches Talent und praktisches Geschick haben! lhr
armen Maler, die ihr so hübsche Cabinetsbilder malt, erkundigt euch doch
in den renonimirten Seiden- und Kattundruckereien nach dem Einkom-
men der besten Musterzeichner, deren Thätigkeit ihr vielleicht so gering
achtet!
Ich meine also, dass zunächst ein beträchtlicherTheil der mittleren Kunst-
talente, zu seinem Heil und zu dem der allgemeinen Gcschmacksbildung, sehr
wohl daran thun würde, den selbständigen künstlerischen Beruf, sei es gänz-
lich oder sei es immerhin mit Vorbehalt künftiger Wiederaufnahme, beiSeite
zu etzen und sich stattdessen irgend einem Fache des Kunsthandwcrks,
je nach Geschick und Neigung, zuzuwendeu. Freilich bleibt ein Wechsel
des Berufs immer eine schwere und bedenkliche Sache. Wo sich aber so
herbe und nicht zu überhörende Gründe geltend machen, wie heutiges
Tages, da wird sich die Sache einrichten lassen, vorausgesetzt, dass
der ernstliche Wille, etwaige künstlerische Träumereien gegen eine rüstige
praktische Thätigkeit zu vertauschen, vorhanden ist und vor Allem zu-
gleich die Achtung vor der Würde des Kunsthandwerks. ln der That,
was frommen uns doch so viele von den Bildern, die die Wände unsrer
Ausstellungssäle bedecken? wenn ihr in den kleinen Ausschnitt aus dem
Leben, den euer Bild enthält, nicht den Athem der Weltseelc hineinzn-
hauchen vermögt, was nützt es uns dann auf die Dauer? Mir scheint es
ein segensreicheres Thuu, wenn ihr statt dessen den Dingen, die unser
alltägliches Leben umgeben, denjenigen Adel der Form gebt, der tinsem
Sinn und unser Gefühl unbewusst, aber auch ununterbrochen in einer ge-
hobenen Stimmung erhält. Es ist hier dieselbe Wirkung, wie die des
wahren hohen Kunstwerkes, nur nicht wie bei diesem laut und von oben
herab, sondern leise und von unten herauf. Auch ist, ganz abgesehen
von jenem gegenwärtigen Nothstande, der Umstand zu beachten, dass ihr
hier, wo euer eigenthümliches Feld ist und wo seither der gemeine Hand-
werker pfuschte, euch den Ehrenplatz erringen möget, während ihr in der
selbständigeren Kunst stets vergebens danach streben werdet, oder den
sehr unsichern Besitz eines solchen höchstens einem vorübergehenden Zu-
fall zu verdanken habt.
Doch auch abgesehen von all den Verhältnissen, die zu diesen Be-
trachtungen Veranlassung gaben, scheint es mir dringend wünschenswerth,
dass von vornherein auf diesen Beruf der mittleren Kunsttalente (sofern
sie nicht etwa zu einer untergeordneten Beihülfe an grossräumigen Kunst-
werken verwandt werden sollen) mehr Rücksicht genommen werde, als es
seither geschehen ist, dass man sie solchergestalt des Flaches enthcbe, der