Reisenotizen.
München.
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Eine, für unsre Zeit eigenthümliohe, aber im Erfolg nicht sonderlich
glückliche Behandlung der bildnerischen Sculptur findet sich im Ballsaal
des Festsaalbaues. I-Iier sind Säulenstellungen mit Tribünen auf beiden
Seiten des Saales und über den Säulen Karyatiden angeordnet. Die letz-
teren und die in die Wände des Saales eingelassenen Reliefs, Tänzergrup-
pen darstellend, sind farbig angestrichen, halbwege naturgemäss. Die
Wirkung dieser polychromatischen Behandlung ist sehr unangenehm, nicht
wegen der Farbigkeit an sich, sondern weil die Sache eine halbe und
doch zugleich eine grobe Behandlung zeigt. Die Farbe bildet einen un-
durchschimmernd körperlichen Ueberzng über der Form. 1)
Aehnlich, wie mit den eben besprochenen Statuen des einen Thron-
saales verhält es sich sodann mit den beiden Bronzestatilen in der Feld-
herrnhalle. Der Tilly. der ein buntes und lustiges Kostüm trägt, ist von
guter dekorativer Wirkung; der Wrede schon langweiliger, zur Hälfte
schwer in den Soldatenmantel eingewickelt, der sich übrigens doch, wie
durch einen partiellen Windstoss, in antik leichten Falten über das eine
Bein hinwirft.
S0 sind ferner die Statuen Schwanthalers, welche sich an der Faeade
der Ludwigskirche betinden , zum Theil von einer vortrefflichen architek-
tonisch plastischen Wirkung. Die Figur des Johannes namentlich ist
sehr glücklich gedacht und angelegt; die des Christus ist steifer typisch
gehalten.
S0 die Statuen der acht Kreise des Reiches über der Loggia des
Festsaalbaues, die durch naiv genrehafte Anklänge etwas Ansprechendes
haben. So die der Maler über der Gallcrie der Pinakothek, u. s. w,
u. s. w.
In Schwanthalers Atelier sah ich die Modelle zu einer grossen lllenge
seiner Werke. Diese Uebersicht liess das Eigenthümliche seiner Richtung,
Vßrzllge W19 Mängel, noch schlagender erkennen. Auch hier machte sich
das durchgehend Dekorative in der Anlage, leider aber zugleich das oft
Flüchtige, Aeusserliche, zum Theil sehr Rohe in der "Durchbildung gel-
tend. Neben zahlreichen Modellen der in München ausgeführten Arbeiten
sah ich solche von auswärtigen Denkmälern: des unseligen Frankfurter
Goethe, des Carlsruher Grossherzoges, der unbedeutenden Mozart-Statue
in Salzburg, der von Jean,Paul in Bayreuth, die auf mich einen sehr
wenig erfreulichen Eindruck machte und an der ich die künstlerische
Durchführung empfindlich vermisste. Dagegen erschien die sitzende Sta-
tue des Rudolph von Habsburg für Speyer, durch das Kostüm begünstigt.
wiederum als eine gute dekorative Arbeit. So auch die Colossalstatuen
merkwürdiger Böhmen, die für den Bronzeguss gearbeitet und für eine
dortige Walhalla, das Privatunternehmen eines böhmischen Grossen, be-
stimmt waren. Die Metopen für die Ruhmeshalle, Culturzustände dar-
stellend, Reliefs in grauem Marmor, waren zum Theil von sehr schöner
dekorativer Wirkung, einige kirchliche Reliefmonumente selbst von
eigenthümlicher Lieblichkeit im Gefühl. Zwiefach widerwärtig nahmen
sich solchen Werken gegenüber die Statuen der Walhallagiebel aus, durch-
Jedenfalls dürfte dies Beispiel bei den Erörterungen über antike Poly-
chromle mit in Betrachtunggezogen werden und über den Erfolg, zu dem ein
derartiglls halbes, zwischen Naturwallrheit und Dekoration in der Mitte stehen-
das Princip führt, einen Beleg abgeben können.