Reisenotizen.
München.
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Würde stört. Wesentlich wird die architektonische Wirkung des Innen],
auch die der Gewölbe, durch die Fülle der Malereien, welche dasselbe
bedecken, beeinträchtigt. Dass dem Hauptschiffe der architektonische Schluss
der Absis fehlt und statt dessen, für das grosse Bild des jüngsten Gerichts '
von Cornelius, eine gerade Wand angebracht ist, wirkt schon empfind-
lich; verschärft wird diese Wirkung dadurch, dass das Bild ohne höhe-
ren, strengeren architektonischen Rhythmus componirt und ohne male-
rische Tiefe ausgeführt ist; der Blick wird dabei auch nicht scheinbar
durch diese unharmonisch abschliesscnde Wand (auf deren Fläche die ge-
malten Gestalten silhoucttenartig aufliegen) hinausgeführt. Die Bilder an
den Frontwänden des Querschilies wirken in dieser Beziehung minder em-
pfindlich, da ihre Stellen eine mehr untergeordnete Bedeutung haben und
Sie sich zugleich, bei kleinerer Dimension, der Architektur der Wände
unterordnen.
Die kolossale Feldherrnhalle, am entgegengesetzten Ende der Lud-
wigsstrasse, nach der Loggia de' Lanzi zu Florenz und wiederum mit by-
zantinisirendem Detail erbaut, macht sich ungemein weit, leer und kahl.
Es ist darin, wie auch sonst bei Münchener Anlagen, etwas Zweckloses.
Die beiden Bronzcstatuen von Tilly und Wrerle, welche in dcr Halle
stehen, erscheinen trotz ihrer ebenfalls kolossalen Grösse puppeu-
lauft klein.
Die Maria-Hilf-Kirche in der Vorstadt Au, entschieden gothisch,
nach Ohlmüllers Plänen. Im Inneren von ganz bewältigendem Ein-
druck. Die Seitenschiffe von gleicher Höhe mit dem Mittelschiff; die
Pfeiler sehr schlank, mit je acht Halbsäulen. In der ganzen Architektur
das Gepräge einer hohen, leichten Erhabenheit, im ansprechenden Gegen-
satz gegen das düster Zwingende der Kirchen frühgothischen Styles (wie
Notre Dame zu Paris). Ueberall die schlichte Steinfarbe, durch die pracht-
vollen Glasmalereieu, welche rings die Fenster ausfüllen, warm ange-
haucht. Das Gebäude bezeugt es wie kein zweites, welche Bedeutung die
Glasmalerei als figürlich monumentale Kunst für die gothische Architektur
hat, wie das Innere der Kirche durch die gemalten Fenster erst seine
Vollendung empfängt, und wie Beides, jene architektonischen Formen und
diese verklärten figürlichen Darstellungen, in der innigsten, sich gegen-
seitig bedingenden Wechselbeziehung stehen. Sehr wohlthuend ist es übri-
gens, dass sonst im Innern fast gar keine Farbe angewandt ist. Die
irgendwie reichere Polychromatik der architektonischen Formen im Innern
des gothischen Gebäudes verdirbt die Ruhe, die, um den Träger für den
Eindruck der Farbenpracht der Fenster zu gewinnen, prinzipiell ein un-
bedingtes Erforderniss ist. Das Aeussere der Kirche, mit Ausnahrne der
Facade, ist sehr einfach und in der Masse allerdings schwer, wie die nor-
disch mittelalterlichen Backstein-Kirchen (zumal die mit gleich hohen
SChiITQn). Auch das Stabwerk der Fenster besteht aus Backstein. Die
Faeade ist mehr spielend componirt. Hier sind die Stücke mit den De-
tails aus Hausteiuen ein- oder aufgesetzt. Das Achteck des Thurmes ent-
wickelt sich nicht gar schön; doch macht sich der Thurm im Uebrigen gut
und besonders die (lurchbrochene, sehr leichte und schlanke Spitze vor-
trefflich. Die Blumenreihen an den Kanten der Spitze erschienen mir