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Kunstreisa
Jahr
1845.
deren Unterstützung starke Säulen, von schönem buntem Marmor, angewandt
sind. Starke breite Gurte, zwischen denen die Gewölbe in verschieden-
artiger Form, meist als gebogene Tonnengcwölbe, eingespannt sind. Die
Flachbögen der Gurte setzen unmittelbar über den Kapitälen auf, was sehr
unschön ist. Die Kapitäle sind Nachahmungen der SchinkcPscheii in den
Sculptnrensälen des Berliner Museums, doch mit starken plastischen Blät-
tern, die an die Seitentlächen des Abakus emporschlagen, was die Kapital-
wirknng beeinträchtigt. Grossartiger Flur und 'l'reppenhalle mit Säulen,
die ein schönes, byzantinisirend korinthisches Kapitäl haben; hier beson-
ders ist die Construction und die perspektivische Ansicht derselben von
guter Wirkung. Das Obergeschoss, für die Gemälde und _Cartous be-
stimmt, hat etwas höher steigende Wölbungen, mit sich mehrfach kreu-
zenden Gurten. Die Haupträume mit Obcrlicht, in der Mitte des Gewöl-
bes; die Nebenräume mit Seitenlicht. Das Aeussere nicht besonders
erfreulich. Die Fensterform unschön und unarehitektonisch (zwei Drittel
des Fensters, zu den Seiten, mit horizontalem Gebälk, das sich in der
Mitte als Bogen erhebt). Die obere Hälfte der Facade mit einer unkräfti-
gen Pilasterdekoration.
Bildliche Ausschmückung des Gebäudes. Fresken in der Treppen-
halle von M. von Schwind. Grosses Hauptbild: Einweihung des Frei-
burger Münsters. Zu den Seiten Sabina von Stcinbach und lrlans Baldung,
beide in künstlerischer Thätigkeit. Lünetten mit allegorischen Gestalten,
Besonders das Hauptbild interessant, eine reiche, vortreftlich gehaltene
Composition mit charakteristischen Einzelheiten. ganz in Schwind's geist-
voll poetischer Weise; die Malerei als einfach gute Colorirung, was hier
völlig angemessen erscheint, wobei dem Einzelnen aber doch etwas mehr
Mark zu wünschen gewesen wäre. Sculpturen für das Portal und dessen
Umgebung, von Reich, in einem einfach edeln Style componirt und ziem-
lich gut, wenn auch nicht eben mit hohem künstlerischem Sinne, durch-
geführt.
Casinogebäude von Ilübseh, eine leichtere Garten-Architektur, artig
zusammengebaut, wenn auch wieder ohne feineren Geschmack. Unerfreu-
lich z. B. die Form der Fenstersturzc, die, gewölbt, die Linien eines
sehr flachen Gicbels befolgen. Privathäuser von andern Architekten.
Darunter eins mit völlig maurischer Faeade, was als zierliche Modespie-
lerei seine Geltung verlangt.
Die Architekturen von L. v. Klenze traten mir aufs Neue in ihrer
halben Classicität, der es doch au Anlage zur Grösse nicht fehlt, entgegen.
S0 die Glyptothek mit ihrem ionischen Portikus, dessen Säulen,
ungrieehiseher Weise, uneanellirt, auch ohne das Gepräge der graziös
griechischen Schwellung emporgeführt, mit einrinnigeu Kapitälen und doch
mit. dem, nur bei doppelrinnigen Kapitälen wohl motivirten Säulenhalse
versehen sind. Das Innere der Glyptothek bleibt durch das römisch
brillante Gewölbesystem, durch die schönen Verhältnisse der Räume, durch