Reisenotizerx.
Paris.
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Arbeiten haben sehr eigenthümlichen Charakter; sie sind gross gefasst und
voll ruhiger kirchlicher Feier. Eine erhabene lineare Stylistik vereinigt
sich mit freier Formenbildung; die, wie die ganze Behandlung. in äußere,-
Beziehung am Meisten mit antiken Wandmalereien zu vergleichen ist. Sie
sind das bedeutendste Kirchliche, was ich von xicuercr französischer Kunst
gesehen, und besonders durch ein grossartiges Pathos ausgezeichnet. Doch
trat mir gerade auch hier der Unterschied des französischen Wesens von
dem unsrigen wieder recht schlagend entgegen; für unsre Auffassung fehlt
doch wiederum, wenn auch mehr im Ganzen als im Einzelnen, die eigent-
liche Naivetät. Wir sehen hier nicht sowohl ein vom höchsten Gefühl
rhythmisch bewegtes Leben, als wiederum eine, immer in gewissem Maasse
berechnete Repräsentation. Man möchte Diesem oder Jenem in den Bil-
(lern zurufen: Mache dir's doch in der Bewegung bequemer! Auch im
Ausdruck, namentlich der Augen, macht sich ab und zu das conven-
tioncll Pathetische bemerklich. Der Farbe fehlt es übrigens auch hier an
vollerer Kraft; Mittel- und Hintergrund sind durch blass verwischte Fär-
bung zurückgetrieben. Bei alledem aber bleibt jenes grossartig Schöne
in diesen Bildern überwiegend. Ich sah die Arbeiten noch nicht ganz
vollendet. Die Kreuztragung war noch in der Arbeit. Die umgebende
Architektur (romanischen Styles) hatte eine bunte Färbung erhalten, die
wenigstens im Chor der Kirche durchgeführt werden sollte.
Manufacture royale des Gobelins. Das dem Princip nach un-
gemein einfache, aber unendlich langwierige Verfahren ist vollkommen
künstlerisch, ein Malen mit der Spule. Daher war eine künstlerische
Ausbildung der Afbeiier 115111131 wozu auch alles Erforderliche einge-
richtet ist. Die Manufaktur selbst ist mit einer Zeichnen-Anstalt versehen
die bis zum Zeichnen nach dem lebenden Modell führt; die Anfänger über;
sich hier des Morgens, die mehr Vorangeschritteuen des Abends. im Winter.
Die Gobelins sind vollkommene grosse Bilder, in denen Alles, was der
Maler frei hingeworfen, mit der wunderbarsten auscheinenden Leichtigkeit
wiedergegeben wird. Vortrcfiiiclt ist die Mischung der Farbentöue, die
schon auf der Spule bewerkstelligt wird, sehr glänzend der Farbeneffekt,
der sich natürlich in den stofilichen Massen, Gewändern u. dcrgL, am
Günstigsten geltend macht. Unter den Arbeiten, die ich sah, waren die
ausgezeichnctsteu das Massacrc der llrlamelukcn, nach Vernefs Bilde im
Luxembourg, die Scene aus Peter's d. Gr. Jugend nach Steubens Bilde im
Luxembourg und eine zweite bekannte Scene aus Peter's Geschichte, wie
er im Sturme das Steuer führt, ebenfalls nach Steuben. Andres war nach
französischen Classikeril und nach den raphaelisehen Cartons (leider nur
nicht nach den Originalen) gearbeitet. Die reizendsten Elfekte zeigten sich,
der Natur der Sache gemäss, bei mehr dekorativen Compositionen, in
denen Blumen, Früchte u. dergl. dargestellt waren. Man spannt hier die
grossen Gobelins in Goldrahmen auf, was ich nicht loben möchte; sie
machen in solcher Erscheinung den Anspruch, selbständige Bilder zu sein,
was sie doch nicht sind, und sie verlieren den Reiz der, wenn auch sehr
luxuriösen Naivetät, der ihnen alsTeppichen, welche man zeitweilig vor die
Wände hängt, eine so charakteristische Eigenthürnlichkeit giebt. Uebri-