Reisenotizan.
Paris.
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men Herr zu werden. Der künstlerische Gedanke in ihm ist herrlich und
gross, aber er kann ihm nicht ganz nachkommen: es fehlt doch an voll-
kommen freier Naivetät in Bewegung des Körpers und der Gewandnng,
und nicht minder an Lufthauch. Alles das muss natürlich in diesen gros-
sen Bildern deutlicher hervortreten als in den kleineren. Es ist etwas von
einem herben trüben Ringen in diesen Bildern, und hierin wohl möchte
der räthselvolle Tod des Meisters mit zu suchen sein.
Plafondgemälde über den Sälen des Musee francaise von
Alaux, Steuben, Deveria, Fragonard, Heim, Schnetz, Drölling,
L. Cogniet, wohl zumeist aus dem Anfang der dreissiger Jahre. In
"zwiefacher äusserer Beziehung unerfreulich: dadurch, dass man den alten
Bildern, welche sich an den Wänden befinden, oberwärts gewaltige neu-'
glänzende Farbenmassen gegenübergestellt hat, und dadurch, dass dies
fast Alles bewegte dramatische Scenen sind, die in einer solchen durchaus
vernunftwidrigen Lage dem Beschauer eine wahre Qual bereiten. Aber
auch abgesehen hieven, haben sie zumeist keinen sonderlichen Werth. Es
sind offizielle Paradescenen französischer Geschichte, bei denen gelegent-
lich auch der Künstler gedacht wird, glänzend, kostümrichtig und steif
ausgeführt. Nur das letzte Bild, von Cogniet, eine grosse ägyptische
Genrescene, in welcher Napoleon als der Sammler ägyptischer Alterthümer
dargestellt ist, hat mehr naives Leben, Haltung und künstlerischen Rhyth-
mus. Dies Bild schien noch neu zu sein.
Andre Plafondgemälde über den Sälen des sogenannten "Musee Char-
les welches besonders durch die Sammlungen der ägyptischen und
griechischen Alterthümer gebildet wird. Diese Malereien sind früher als
jene, aus der späteren Zeit der zwanziger und dem Anfang der dreissiger
Jahre. Auch sie sind von schwerer Wirkung, die indess bei Weitem
nicht so unangenehm iSl, als bei der eben erwähnten Reihenfolge, da an
den Wänden nicht ebenfalls Gemälde befindlich und die Deckenmalereien
zumeist nicht real genrehaft, sondern mehr symbolisch gehalten sind. Doch
fehlt es auch hier nicht an einem vorzüglich schlagenden Belege, wie
widersinnig die Anordnung realistischer Darstellungen ist, die über dem
Haupte des Beschauers schwebend bangen. Dies ist ein kolossales Bild
von H. Vernct, welches, wie es scheint, die Blüthezeit italienischer Kunst
vergegenwärtigen soll: Papst Julius II. mit geistlichem Gefolge, und
Bramante, Raphael, Michelangelo vor ihm. Es ist im Charakter eines
tüchtigen Dekorationsbildes gehalten und mit naturlebendiger Energie
durchgeführt, die es freilich um so mehr bedauern lässt, dass das Bild
nicht senkrecht steht. Uebrigens lässt sich aus den Plafondgemälden der
in Rede stehenden Reihenfolge der Entwickelungsgang der französischen
Kunst aus der David'schen Zeit in die neuere besonders deutlich erkennen.
Dahin gehört namentlich, im ersten Saale des Musee Charles X., das
berühmte Deckengemälde von Ingre s: die Apotheose Homers, gem. 1827.
Vor einem sechssäuligen ionischen Tempel ist ein Podest mit einem
Throne, auf welchem Homer sitzt. Eine neben ihm stehende Nike krönt
ihn. Auf den Seiten des Podests sitzen llias und Odyssee. Zu beiden
Seiten schliessen sich Männerschaaren rhythmisch an: antike Dichter und
Künstler, einige Neuere aus dem Schlusse des Mittelalters, und vorn, mit
halbem Leibe sichtbar, französische Meister (die im Gedanken und in der
Physiognomik freilich einen eigenthümlichen Gegensatz zu den übrigen
machen.) Das Werk ist grossartig überdacht und componirt, doch in einer