Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

David's Atelier. Dies ein ganz eigenthümlicher Künstler, sehr ab- 
weichend von Allem, was sonst in der französischen Sculptur vorherrscht. 
Ein völlig unbekümmerter Naturalist, ist er für das höher Stylistische 
wenig empfänglich, dagegen mit sehr lebhaften Fühlfädcn für den Aus- 
druck geistiger Organisation begabt und zugleich mit schwärmerischer 
Verehrung den geistig ringenden Naturen zugethan. Er ist somit recht 
eigentlich dazu gemacht, die geistige Organisation der Zeit, im figürlichen 
Denkmal, in der Büste, im Portraitmedaillon, festzuhalten und der Folge- 
zeit zu überliefcrn. In seinem Atelier sah ich eine grosse Sammlung viel- 
fach interessanter Büsten von seiner Hand und einen grossen Theil seiner 
Medaillons, von denen auch uns schon früher manche bekannt geworden. 
Die letzteren belaufen sich, seiner Angabe nach, bereits auf fünfhundert, 
Personen aller Länder und Völker darstellend. Die Aufstellung derselben 
in einer öffentlichen Sammlung müsste das eigenthümlichste Interesse ge- 
währen. 1)  Ausserdem in seinem Atelier die Marrnorfigur eines jungen 
Trommelschlägers, der auf dem Schlachtfelde liegend und schon gestorben 
die (musivisch bunte) dreifarbige Kokarde an seine Brust drückt. Er ist 
nackt und nur mit der Andeutung einzelner Kostümstücke dargestellt. 
Die Arbeit ist naturalistisch, sehr durchgeführt und von eigenthümlicher 
Schönheit. 
Das grosse Giebelrelief.  die allegorische Figur Frankreichs und die 
Schaaren ihrer grossen Männer zu beiden Seiten,  welches David für 
den Giebel des Pantheon's gearbeitet hat, ist freilich wiederum minder 
erfreulich, die Arbeit erscheint allzu grell naturalistisch. Doch tritTt dieser 
Vorwurf vielleicht mehr die lokale Bestimmung des Reliefs, als es selbst. 
Die nüchterne, ideal römische Architektur des Portikus contrastirt zu auf- 
fallend mit dem derben Genre-Charakter der Sculptur; die Architektur 
hätte ebenfalls derb, breit, naiv quellend sein müssen. 
Museum des Louvre. Die Arbeiten neuerer Maler der französi- 
schen Schule, die (nach dem Tode der Meister) hier den Werken der 
Vorzeit zugesellt sind, haben mir kein sonderliches Interesse abgewonnen. 
Es ist die Epoche David's, des Malers. Eine akademisch theatralische 
Manier wechselt mit nüchterner Strenge, mit gespreiztem, mit süsslich ko- 
kettem Wesen, je nach der Individualität der einzelnen Künstler. 
Hoch über Allen steht Leopold Robert, dessen Sehnitter und die 
Madonna de1l' arco sich hier befinden. Das letztere Bild gefällt mir besser, 
als im Stich; das erstere befriedigt meine Erwartungen nicht ganz, wenn 
es auch immer bei Weitem das bedeutendere von beiden bleibt. Aber was 
ich nach und nach immer mehr geahnt, ist mir vor diesen Bildern nun 
schmerzlich klar geworden:  dass auch Leopold Robert, so gross und 
verehrungswürdig er ist, nicht auf der Höhe seiner Zeit steht. Es ist mir, 
als ob sich das zu späte Anfangen auch bei ihm räche, oder als ob er 
wenigstens nicht Alles gethan habe. um nachträglich der Natur- der all- 
gemeinen und der menschlich körperlichen  sowie des Pinsels vollkom- 
1) Er hat die Modelle, wie er mir sagte, einem Bronzegiesser zum Geschenk 
Bßmaeht. Dieser würde im Stande sein, die ganze Sammlung für 2000 Francs 
herzustellen.
	        
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