Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Reisenotizeu. 
Paris. 
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Treppenaufgang empor. Ueber den vorspringenden Ecken des Gebäudes 
erheben sich leichte 'l'hürmchen, in der Form von Taberuakel-Aufsätzen. 
Die ganze Schauseite gewährt übrigens, trotz jener Ucbelstände, bei wür- 
digen Verhältnissen, immer einen sehr stattlichen Eindrllßk- Der Portikus 
soll noch eine reiche Statuengruppe im Giebel, farbigen Schmuck von Lava- 
malerei im Friese und eine sehr reiche Ausstattung von Lavagemälden im 
Grunde, an der Vorderwand der Kirche, erhalten, was jenen wirksamen 
Gesammteindruck wesentlich steigern dürfte. 
Das Innere hat wiederum gedoppelte Seitenschiffe, mit uncanellirten 
ionischen Säulen von Stuckmarmor und geraden Gebälken. Dem Eindrücke 
der lastenden Oberwand des Mittelschities ist der Architekt dadurch ent- 
gangen, dass er über der unteru Säulenstellung eine zweite, von korinthi- 
Scher Ordnung und zur Seite derselben eine Gallerie (in der Breite des 
inneren Seitenschiffes) angeordnet hat. Der Fries, der beide Sänlenstel- 
lungen trennt, ist freilich sehr hoch, auch noch wandartig; er ist zur Auf- 
nahme von Malereien bestimmt, die den Eindruck der Schwere hoffent- 
lich aufheben werden. Die äusseren Seitenschitfe sind niedrig, durch 
Gitter abgeschlossen und zu Kapellen eingerichtet; die Fenster, mit taber- 
nakelartiger Umfassung, erheben sich über den Altären der Kapellen und 
ihre Glasgemälde nehmen die Stelle des Altarbildes ein, was ein glück- 
licher, geistreich durchgeführter Gedanke ist.  Die Absis hat eine sehr 
eigeuthürnliche Anordnung, indem sie der Breite des Mittelschities und der 
beiden inneren Seitenschitfe entspricht. Vermuthlich hat der Architekt 
hiedurch eine bedeutende perspektivische Wirkung erreichen wollen. lch 
kann dies nicht entschieden beurtheilen, da dem Halbkuppelgeivölbe der 
Absis noch die für dasselbe bestimmte Malerei fehlte, dasselbe somit noch 
nüchtern erschien; ich glaube aber, dass ein perspektivisches Spiel der 
Art eher seltsam als gross erscheinen und dass es, allen Effekt zugegeben, 
doch in keiner Weise den Eindruck der Ruhe gewähren wird, den die 
organische Ausrundung in der Breite des Hauptraumes bei allen alten Ba- 
siliken hervorbringt.  Der Rückblick aus der Absis in die Schiffe, mit 
ihren durchweg reinen Formen und der den letzteren glücklich einge- 
fügten Verwendung christlicher Symbole und Embleme, ist dagegen sehr 
ansprechend. Doch ist auch in diesen vorderen Räumen leider noch ein 
sehr ungünstig wirkender Umstand zu erwähnen. Dies betrifft die Decken- 
anordnung. Das Mittelschiff hat offnes Balkenwerk und darüber die de- 
korirte Dachschräge, während die Gallerieeu über den inneren Seitenschiffen 
eine horizontale Kassettendecke haben. Man fühlt und begreift die Noth- 
wendigkeit jener nicht, da es doch nicht das wirkliche Dach ist, auch 
dasselbe nicht vorstellen kann; man würde den Eindruck einer ungleich 
mehr harmonischen Ruhe erhalten haben, wenn das Mittelschiff eben auch, 
in naturgemässer Weise, mit einer horizontalen Decke versehen wäre. 
Dann ist auch unter jenen Gallerieen, über dem untern Raume der inne- 
ren Seitenschitfe, eine horizontale Decke angewandt, über den äusseren 
Seitenschiffen aber wiederum nicht; hier sind es schräge Pultdächer in der 
Querrichtung des Gebäudes, je zur Bezeichnung der einzelnen Kapellen, 
in welche die äusseren Seitenschiffe abgetheilt sind. Auch dies ist ebenso 
disharmonisch. 
Der Bau von St. Vincent-de-Paul ist unstreitig ein sehr merkwürdi- 
ges Ereigniss in der Geschichte der neueren Architektur, Aber er zeigt 
doch nur, was auch sonst schon aus so manchen der künstlerisch durch-
	        
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