Die Kirche der Madeleine (begonnen 1802) hat, neben der Nüch-
ternheit ihrer römischen Bauformen und namentlich des Peristyls, der ihr
Aeusseres umgiebt, doch Eigenthümlichkeiten, die allerdings eine sehr ent-
schiedene Anerkennung verdienen. Diese finden sich in der Disposition
des Inneren. Eine Reihe von Kuppeln übel-wölbt den einfach mächtigen
Raum. Kolossale Wandsäulen, wie im Friedenstempcl zu Rom, steigen zu
den Wölbungen empor; kleinere Säulenstellungen, zwischen denen die,
die Seitenkapcllen bildenden Tabernakel angeordnet sind, laufen an den
Wänden und in der Absis hin. Die ruhige Grösse jener Hauptformen,
gegen welche das übrige architektonische Detail verschwindet, ist höchst
feierlich und wird noch mehr durch die stillen, von oben einfallenden
Kuppellichter hervorgehoben. Fast ist das Licht für den Raum nicht
kräftig genug, aber um so geheimnissvoller erhaben ist die Wirkung,
Jedenfalls hat eine solche Beleuchtung unendliche Vorzüge vor den zer-
streuenden Seitenlichtern.
Zwei neuere Kirchen sind im Basilikenstyl, mit thunlicltstem Zurück-
gehen auf die Gesetze der Antike, erbaut. Die eine ist Notre Dame de
Lorette, 1824 bis 1836 ,nach den Plänen von Lebas ausgeführt. Sie
macht im Aeusseren, mit ihrem viersäuligen korinthischen Portikus, nur
einen ziemlich dürftigen Eindruck. Im Inneren hat sie ionische Säulen_
stellungen und doppelte Seitenschiiie. Ueber den geraden Gebälken lasten
im Mittelschiff die Oberwände, die mit wenigen, ebenfalls geradlinig ge-
schlossenen Fenstern und mit Gemälden versehen sind. An der Eingangs-
scite ist im Innern, nach Art der alten Nartheken, ein Vorraum abgetrennt;
die beiden Eckräume desselben haben, im seltsamen Contrast gegen die ge-
raden Gebälke, Arkaden und (larüber kleine Kuppelgewölbe. Das Sauc-
tuarium ist mit grossen römischen Bögen und flacher Kuppel versehen.
Das Ganze besteht aus einem noch ziemlich unverdautcn Gemisch ver-
schiedenartiger Studien und macht einen wenig erhebenden Eindruck.
Ungleich bedeutender ist die zweite, in sehr ansehnlichen Maassen aus-
geführte Basilika, St. Vin ce nt-d e-Paul, ebenfalls seit 1824 und nach den
Plänen von Hittorf erbaut. (Sie war, als ich sie sah, bis auf ihre bild-
liche und bildnerische Ausstattung vollendet.) Der Baumeister hat übera11
eine möglichst streng griechische Behandlung der Formen erstrebt, dies
aber freilich mehr nur in der Bildung des Einzelnen, während der G9-
stimmt-Organismus des Griechischen nicht selten beeinträchtigt erscheint,
An der Vorderseite springt ein prächtiger sechssäuliger Prostyl mit canel-
lirten ionischen Säulen vor. Leider liegen die inneren Balken des Pro-
styls nicht, wie es das natürliche Princip fordert, auf dem äussern Archi-
trav (oder noch höher auf der Innenseite des Gebälkes) auf, sondern
unmittelbar, wie der Architrav selbst, auf den Säulenkapitälen. Dies
scheint auch der Grund zu sein, wesshalb der Baumeister sämmtliche Ka-
pitäle mit Eekvoluten versehen hat, was einen sehr übeln Eindruck macht.
Dazu kommt, dass der ganze Architravbau nur eine technische Fiction ist,
indem die horizontalen Balken durch scheidrechte Wölbungen, von Säule
zu Säule, gebildet sind, was man (wie auch an N. D. de Lorette und an
der Madclciue) aufs Deutliehste sieht und was bei näherer Ansicht den
Eindruck des Principwidrigen nur erhöht. Zum Portikus führt ein schöner