Reiseuotizexx.
Paris.
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nngebildetes Natürlichkeitsprincip. Daraus, und zugleich durch das Hin-
einwirken der verschiedenartigen Studien-Einflüsse der klassischen und
der romantischen Epoche, der der Renaissance und des Eklekticismus
erklärt sich denn auch das tausendfache Gewirr, das namentlich in der
heutigen Malerei der Franzosen vorherrscht. Nur einzelnen hochbegabten
Naturen ist es vergönnt, sich über diese trübe Atmosphäre zu erheben.
Ansprechend sind ein Paar Denkmäler geringeren Umfanges aus der
früheren napoleonischen Zeit. Vornehmlich das auf der Place D auphin e,
welches Desaix gewidmet und im J. 1803 nach dem Plane von Percier
und Fontaine ausgeführt ist. Es ist einfach aus dem Stein des Landes
gearbeitet. Auf einer hohen Cyliuderbaäis mitReliefs von mässigem, doch
nicht ganz untergeorduetem Verdienst erhebt sich eine plastische Gruppe:
eine Herme, welche die Büste von Desaix trägt und der das Schwert um-
gehängt ist; daneben eine amazonenartige Gestalt, etwa das Vaterland
vorstellend, die einen Kranz über dem Haupte des Helden hält. Die
Gruppe schliesst nach oben nicht genügend rhythmisch ab; in der Erfin-
dung und den Linien ist sie überhaupt nicht ganz glücklich; auch die
Ausführung, z. B. im Gewande der Amazone, ist weder völlig naiv noch
sonderlich geschickt. Dennoch hat das Ganze ein ächtes, keusches Gefühl,
Geschmack und einen, wenn auch nicht durchgedrungenen Schönheitssinn.
Das Werk schreit nicht und wird daher wenig beachtet. Der Bildhauer,
der die Gruppe gefertigt, ist mir unbekannt.
Ein zweites, ebenfalls wohlgefällig wirkendes Denkmal ist die vik-
toriengekrönte Säule auf dem Platz du Chatelet, 1808 nach dem Ent-
wurf von Brolle ausgeführt. Die Säule ist in einer Art ägyptischen
Styles Componirt, eine der ästhetischen Rückwirkungen von Napoleons
ägyptischem Zuge.
Einen würdigen Einidruck gewährt die Chapelle expiatoire, an
der Stelle erbaut, wo die Leichen Ludwigs XVI. und der llilarie Antoinette
der Erde übergeben waren. Der Bau, im vollen und energischen römi-
schen Style, ist von Percier und Fontaiue. Die Kapelle ist rund, mit
einer Kuppel und drei halbrunden Absiden, vorn mit einem Säulenpor-
tikus. Das Licht fällt durch eine Oetfnung in der Kuppel und durch ähn-
liche in den Absidenhalbkuppeln ein; die innere Wirkung ist ruhig und
feierlich; sie würde es noch mehr sein, wenn ein einziges Oberlicht an-
geordnet wäre. In der Absis zur Rechten steht die Marmor-Gruppe Lud-
wig's XVI., den ein Engel stützt, von Bosio gearbeitet, schön, feierlich und
ergreifend. Links die ähnliche Gruppe der Marie Antoinette und der
allegorischen Figur der Religion, von Cortot; diese jedoch ohne Styl
und höhere Würde. Unter der Kapelle sind gewölbte Souterrains. Vor
ihr ist ein erhöhter Platz, zu dessen Seiten Kenotaphien mit byzantinisi-
renden Arkaden hinlanfen und der an der Eingangsseite durch ein impo-
nirendes Portal abgeschlossen wird. Der offne Platz umher ist nach den
Häusern zu mit Cypressen oder ähnlichen Bäumen bepflanzt. Der Ein-
druck der ganzen Anlage ist sehr ergreifend.