Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

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Jahr 
Kunslreise im 
1845. 
sehr wenig die Rede. Nichts von dem Eindruck eines städtischen oder 
häuslichen Comforts, wie dies, für die verschiedenen Zeiten und Länder, 
in Nürnberg, Danzig, Prag, Venedig, Florenz, Brügge, Antwerpen und 
so vielen andern Orten der Fall ist. Bürgerliche Paläste sind wenig vor- 
handen. Im Ganzen ist es ein wüstes Zusammenhäufen von Steinmassen. 
Die Stadt hat etwas Gebirgsartiges; wie Felsen stehen die Häuserviertel 
da, wie Klippen und Zacken erheben sich die Schornsteinmauern über die 
Dächer, wie Felsspalten oder Engpässe ziehen sich die Gassen dazwischen 
durch. Thüren und Fenster gehen wie Höhlen in das Innere, und man 
fühlt es, wie drinnen eine Brut wohnen mag, Bienen gleich, die gereizt 
ungestüm hervorbrechen. In den eleganten Stadttheilen, die doch lange 
nicht die Hauptmassen ausmachen, ist die Rohheit nur übertüncht durch 
all den Glanz des Luxus und dessen Anpreisungen in Schilden und Affi- 
chen. Auch sind es nur wenig Beispiele, wo die moderne Geld-Aristo- 
kratie dem rohen Hauskörper einen Flitterstaat von Renaissance-Dekoration 
umhängt. Einigermaassen eine Ausnahme machen, nebst den Resten der 
alten Aristokratie im Foubourg St. Germain, einige neue Strassen ausser- 
halb der Boulevards, Chaussee d'Antin, Rue Lafitte, u. s. w. Hier sieht 
man Versuche einer behaglich bürgerlichen Architektur im modernen Sinn; 
wo aber irgend Glanz erstrebt wird, ist es sofort wieder ein ziemlich 
kindlicher, zuweilen etwas gothisirender Renaissance-Aufputz. 
Die Denkmäler älterer Zeit, namentlich die Kirchen, verlieren sich 
in dieser Steinwüste. Die Denkmäler des Herrscherthums, besonders der 
Louvre und die Tuilerieen mit dem Parkzubehör, obgleich weit hinge- 
dehnt und reich geschmückt, sind nicht zur klaren Entfaltung gekommen. 
Es hat die Stetigkeit des Regimentes gefehlt, die Gleichartigkeit der In- 
teressen der Herrschergeschlechter; der Dynastieenwechsel macht sich darin 
auf empfindliche Weise bemerklich. Das imposanteste Streben zeigen die 
neueren nationalen Monumente; aber sie sind kalt, nüchtern idealistisch 
und bei allem Allegorischen doch eigentlich inhaltlos. So ist es vor 
Allem mit dem Pantheon. S0 mit dem ungeheuren Triumphbogen der 
Etoile, der dasteht, man weiss nicht recht wesshalb und wofür. Er soll 
das Thor der Weltherrscherin bilden und steht ausserhalb der Barriere; 
der Weg zieht sich zu beiden Seiten um ihn herum, und der Zugang zu 
ihm ist mit Ketten verschlossen, zwischen denen sich nur die Fussgänger, 
Pygmäen gleich, hindurchwinden. So mit der Säule auf dem Vendome- 
Platz, die schwerfallig dasteht, von dem römisch brüsken Spiel des Relief- 
Frieses umwunden und mit der puppenartigen Figur des Kaisers bekrönt. 
So mit der Madeleine, deren Aeusseresin Architektur und Sculptur dem 
Volke das religiöse Element nur in einer emphatisch nüchternen Weise 
gegenüherführt. S0 mit der Juli-Säule auf dem Bastille-Platz, die brüsk 
und schwertällig ist wie die Vendomesäule und über der ein ganz kleiner 
goldner Freiheitsgenius, mit dem Fuss an die kleine goldne Erdkugel an- 
geheftet, deklamatorisch umhertlattert. Briisk auch ist das ewige Wieder- 
holen der Namen Lodi, Marengo, Austerlitz u. s. w., u. s. w., mit denen 
die Flächen der Denkmäler übersät sind; brüsk die Anordnung der schwer- 
tälligen Deckengemälde im Louvre, u. dergl. m. 
Das ist eigentlich der ganze Charakter der französischen Kunst:  
hohles Raisonnement, nüchternes Allegorisiren, Emphase, auf der einen 
Seite. wo es sich um die Idee handelt, (alles das auch sehr deutlich in 
der heutigen religösen Richtung); auf der andern Seite ein wüstes, rohes,
	        
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