Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

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Kunstreise 
Jahr 
1845. 
Reihenfolge von Stationsbildern in der Kirche 1a Chapelle, von Jean van 
Eycken, zeigten Palette und harmonisch abgetönte Farben; aber auch sie 
waren im Uebrigen französisch manierirt und oft sehr schwach. 
Auf der "Place des Martyrs" das grosse Denkmal, von Gcefs, 
welches den Opfern der Septernbertage von 1830 gewidmet ist. Eine 
grossartige Anlage, in sehr schönen Verhältnissen zu der Architektur des 
umgebenden Platzes. Der Boden des letzteren ist zu den Seiten erhöht; 
in der Mitte eine grosse viereckige Vertiefung. von einem niedrigen Ar- 
kadengange, den sogenannten "Katakomben", umgeben. Die ernsten Ver- 
hältnisse dieser Arkaden entsprechen der Benennung; die Form aber, 
statt ein naives architektonisches Gefüge zu bilden, ist das Efzellgniss 
einer äusserlichen, sentimentalen Symbolik, deren Anwendung heutiges 
Tages in der That ein wenig überrascht. Die Pfeiler der Arkaden sind 
nemlich Grabsteine, in der von der Antike entlehnten Fassung. An den 
Wänden hinter den Arkaden sind Tafeln mit den Namen jener Märtyrer 
angebracht. 
Aus der Mitte des vertieften Raumes erhebt sich ein grosses vier- 
eckiges Piedestal, in zwei Absätzen. Vor den Ecken des oberen Absatzes 
knieen klagende Engel, Kränze in den Händen haltend; sie sollen zu- 
gleich  ich weiss nicht, aus welchem Grunde  die vier Tageszeiten 
darstellen; ihre gesenkten Flügel schlagen gegen die Seiten des Piedesta1s_ 
Es sind zart gearbeitete Gestalten, weich im Fleisch, in der Gewanduug 
zum Theil gut, obgleich ohne ernsteren Styl,  im Ganzen aber durch- 
aus modern sentimental und im inneren Gefühl eigentlich Rococo.- Uebei- 
dem Piedestal die kolossale Gestalt der Patria (in Marmor, eben so wie 
die Engel), einigermaassen im Gepräge der Venus von Melos, mit matro- 
nenhaftem Anklange. Sie hat ungefähr dieselben Vorzüge und Mängel, 
wie jene Engeltiguren, doch ist sie in den Motiven der Gewandung etwas 
mehr antik gehalten, im Ausdruck nicht ganz so sentimental, wenn auch 
immer ohne rechten Styl und ohne alle eigentliche Majestät. Das ganze 
Werk hat mich, trotz des ersten schlagenden TotaleEektes und trotz der 
sorglichen Ausführung, doch nur in unerquicklicher Weise berührt. 
Die Flächen des untern Piedestals sollen historische Reliefs erhalten. 
Eins davon, eine Scene aus den Septemberkämpfen, sah ich im Gypg- 
abgnss. Es war im historisch genrehaften Charakter componirt, ohne allen 
Reliefstyl und in seiner ganzen Behandlung sehr wenig erbaulich. 
Ungleich mehr sagte mir ein andres öffentliches Denkmal von Geefs 
Hand zu, das des Generals Belliard, ebenfalls in Marmor. Er trägt die 
Uniform und den soldatischen Mantel, der auf der einen Schulter aufliegt 
und nach hinten niederfällt. In den Conturen, und besonders vom Park 
aus gesehen, ist die Figur von vortrefflicher Wirkung, bei Weitem mehr 
als der Gretry zu Lüttich. In der Behandlung zeigt sich ein feiner Na- 
tursinn und, wenn auch nicht volle plastische Grösse, doch ein eiguer 
malerisch plastischer Styl. 
Ein drittes Marmordenkmal, welches Geefs gearbeitet, ist das Grab-
	        
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