Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Reisenutizen. 
Brüssel. 
unter Glas und Rahmen; die erste Skizze zu dieser Cßmposition, Zeich- 
nung mit etwas Farbe, und eine zweite, vorzüglich schöne Aquarellskizze 
mit der WVirknng des Gemäldes selbst.  Ebenso noch andere Skizzen, 
auch dies leicht angetuschte Zeichnungen, zum Theil Genrescenen von 
schöner, frappanter, ächt niederländischer Wirkung.  Ausserdem einige 
angefangene Bilder, unter denen mir besonders ein Kardinal, welcher 
beim Austreten aus der Kirche das Kind einer Bäuerin segnet, wohlgeüei. 
Gallait ist Schiller des Franzosen Henneqlzin. 
lm Atelier von Verboeckhoven freute ich mich der prächtigsten 
Thierstudien. Unvcrkauft stand noch ein grosses Bild mit einem italieni- 
schen Ochsen und anderem Vieh; fast vollendet sah ich ein Gemälde, auf 
dem ein grosser Pyrenäenhund, zwei kleine Hündchen und ein Papagei 
dargestellt waren. Ueberall, in diesen lebensgrossen Darstellungen, wie 
in den bei uns mehr bekannten kleinen Kabinetsbildern erscheint Verboeck- 
hoven für sein Fach durchaus als Meister ersten Ranges.  
Einen Ueberblick über die Leistungen der belgischen Malerei (kleinen 
Maassstabes) gewährte mir die in solcher Beziehung geschätzte Sammlung 
des Mr. van Becelaere, Eigenthümer des Cafc mille colonnes, place de 
la monnaie. Sie ist daran sehr reich, besitzt auch holländische und einige 
französische Bilder. Doch hat die Sammlung im Ganzen auf mich keinen 
sonderlichen Eindruck gemacht; sie enthält viel Unbedeutendes, das mit 
einem gewissen allgemeinen Vortrage gemacht ist, sehr viel Nüchternes 
und wenig Eigenthümliches. Mit zu den Besten gehören die Viehmaler 
im Style Verboeckhovens. Anziehend durch charakteristische Zeichnung 
waren mir die Genrebilder eines jungen Brüsselers, Willems. Ein Genre- 
bild von de Keyser, ein alter Mann und eine junge Frau in der Um- 
gebung eines prächtigen Zimmers, machte sich als ein Virtuosenstück in 
schönster rubensischer Färbung geltend. Die Holländer und Franzosen 
traten mir als bedeutender im eigenthümlichen Wesen entgegen. So sah 
ich von Koeckoeck eine ganz ausgezeichnet meisterhafte Sturmland- 
schaft, Treftliches von Schotel, u. a. m.  Ich bemerkte, dass bei den 
Belgiern im Allgemeinen wohl mehr Palette zu finden ist als bei den 
Deutschen, zunächst den Norddeutschen, keineswegs aber eine so gute 
Verwendung derselben.  
Navez, der Direktor der Brüsseler Akademie, gehört noch der ältern 
Schule an und ist in seinen Leistungen nicht sonderlich erfreulich. Ein 
grosses Altarbild, für die Kirche seines Geburtsortes bestimmt, ist frostig 
manierirt im Style der französischen Malerei vor der Epoche der Juli- 
revolution. Einige Bilder erinnerten mich an L. Robert, aber auch sie 
waren kalt. Ein Portrait hatte in der Behandlung Aehnlichkeit mit den 
Wach'schen Bildnissen. 
Ein Jcremias von Gisier, in der Kathedrale Ste. Gudule, war höchst 
flau und in der affektirten modern französischen Manier behandelt, -Eine
	        
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