Kunstreise
Jahr
1845.
Reichthum und Genuss, von L. Clasen. (Schmalwand) Von mässi-
gem Verdienst und nicht eben leichtem Vortrag. Man frägt übrigens bil-
liger Weise, welche eigentliche Bedeutung in Bildern solcher Art das mit-
telalterliche Kostüm haben soll.
III. Die Freskomalereien in der Kirche zu Apollinarisberg, von
Deger und seinen Genossen.
Ich sah diese Werke in der Arbeit, als theilweise ausgeführte Wand-
gemälde, als Cartons, als Aquarell-Entwürfe. Von Deger selbst, als Haupt-
bilder, die Kreuzigung Christi, die bis auf die Gruppe der Maria bereits
al fresco vollendet war; die Anbetung der Hirten und die Auferstehung,
diese in Aquarell; ausserdem die grosse Gestalt der Virgo immaculata auf
dem Halbmonde und die Cornposition für die Halbkuppel der Altarnische:
Christus, nebst Maria und Johannes zu seinen Seiten. Es ist die Tradi-
tion die giotteske in ihrer edelsten Erscheinung, was diesen Arbeiten
zu Grunde liegt, ein kirchlich Geheiligtes (in der Art wie Fiesole die
Tradition auffasste), ein durch stille, innere Scheu Gebundenes, also frei-
lich Conventionelles; aber zugleich das Bewusstsein hierüber, und dem
entsprechend ein feiner bestimmter Natursinn. lm Ganzen der Composi-
tionen herrscht ein schöner leichter Ton, eine zarte, dem Ideal sich zu-
neigende Formenbildung (die gelegentlich auch, wie in den feinen lang-
gestreckten Nasen der Maria, einem kirchlich manierirten Ideal angehört),
in der Gewandung eine edle Stylistik. Die Aquarelle erinnern an Minia-
turen der alten Sienesen, doch nicht an deren Ungeschick. ln der
Kreuzigung ist es von grossartigster Wirkung, wie die Masse des Volkes
durch den ausserordentlichen Moment gemeinsam bewegt und erschüttert
wird; ich entsinne mich nicht, Aehnliches gesehen zu haben. Die drei
Gekreuzigten zeichnen sich, wie durch die Charakteristik, so durch die
gediegene Modellirung aus. Vortrefflich auch ist das charakteristisch Ei-
genthümliche in Physiognomie, Ausdruck und Geberde des Hauptmannes,
dessen Erscheinung von dem. Gebahren banaler Frömmigkeit durchaus
fern ist. Das Bild. der Auferstehung ist schön geordnet: unten die Ma-
rien an dem Grabe und der Engel auf dem Steine sitzend; darüber, von
Wolken getragen, der Auferstandene und Engelchöre zu seinen Seiten. So
erscheinen auch über der Anbetung der Hirten Engelchöre, unter denen
die drei Erzengel besonders vertreten; in der Mitte der letzteren Michael,
schwer gepanzert im Charakter des funfzehnten oder sechzehnten Jahr-
hunderts, was denn allerdings. trotz der schönen Behandlung, für das
Schweben der Gestalt nicht sonderlich günstig ist, auch zu ausschliesslich
an ein bestimmtes Zeitkostüm erinnert. Hier ist die befolgte Traditon
eben allzu jung.
Unter den Arbeiten der Genossen Degefs zogen mich, soweit ich diese
sah, besonders die Compositionen aus der Legende des heil. Apollinaris,
von dem älteren Müller, an. Auch diese sind vortrefflich, doch mehr
conventionell giottesk. wenigstens in den Aquarellen. Merkwürdig und
schön ist hier die idyllische Darstellungsweise, mit zuschauenden und an-
dern Nebenpersonen, was an die liebenswürdigen Compositioncn des Be-
nozzo Gozzoli erinnert, ohne doch irgend das Gepräge von Nachahmung
zu tragen.