Ueber
den
Betrieb
dar
monumentalen
Glasmalerei.
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vermeiden. Besondere Anerkennung verdient in diesem Betracht die nie-
derrheinische, namentlich Kölnische Glasmalerschule des funfzehnten und
sechzehnten Jahrhunderts, indem in ihren Arbeiten gewöhnlich einfache
Farbenverhältnisse vorherrschen und besonders das Streben ersichtlich wird,
.durch Anbringung weisslicher Gewandungen die allzugrosse Kraft der
Farben zu sänftigen. In den schon seltneren Werken von der Mitte des
sechzehntenJahrhunderts ab macht sich die Rücksicht auf eigentlich male-
rische Harmonie immer mehr geltend, aber nicht mehr zum Vortheil dieses
Kunstfaches, da sich die Bereitung der gefärbten Gläser und der zum
Malen bestimmten Farben gleichzeitig und in auffallender Schnelligkeit
verschlechtert und bald auch auf eine principmässige Verbleiung (die
allerdings die freie malerische Behandlung sehr schwierig macht) fast gar
keine Rücksicht mehr genommen wird. Dies ist besonders bei den fran-
zösischen Glasmalereien der späteren Zeit des sechzehnten Jahrhunderts
der Fall.
Indem ich mich nunmehr zur Betrachtung der heutigen Leistungen im
Fache der monumentalen Glasmalerei wende, beginne ich zunächst mit
demjenigen Orte, wo für die Gegenwart bei Weitem das Umfassendste und
Wirksamste in diesem Kunstzweige geschehen ist, mit München.
Die Mariahilf-Kirche in der Vorstadt Au zu München, eins der edel-
sten gothischen Gebäude, die in neuerer Zeit ausgeführt sind, hat bekannt-
lich in ihren neunzehn grossen Fenstern seit dem Jahr 1834 und auf
königliche Veranlassung einen reichen Schmuck prachtvoller Glasmalereien
erhalten. Es ist gewiss die einzige gothische Kirche, wo die Fensterbilder
einen vollständigen und in sich einigen Cyklus ausmachen, wo zugleich
Architektur und Fenstermalerei ein durchaus harmonisches, sich gegensei-
tig bedingendes und erfüllendes Ganze bilden. Der erste Eindruck, den
man beim Eintritt in diese Kirche empfindet, ist so wunderbar über-
rascbend, dass ich demselben nichts Aehnliches zu vergleichen wüsste;
der hohe Adel der Architektur, die leuchtenden Farbenaccorde, die Erschei-
nung der verklärten Gestalten, welche sich aus diesem rhythmisch beweg-
ten Farbenspicle entwickeln, von allen Seiten umfängt es den Beschauei-
mit so hinreissender Gewalt, dass man in der That, um zur bcsonneneir
Betrachtung des Einzelnen übergehen zu können, einer angestrengten Samm-
lung bedarf. Der Inhalt der figürlichen Compositionen besteht aus Darstel-
lungcn des Lebens und dcr Legende der h. Jungfrau. Diese nehmen den
untern Theil der Fenster ein. während sich über ihnen, sie bekrönend,
eine arabeskenartig geformte Architektur empor-gipfelt. Im Chor (wo aber
die Fenster nicht so ticf hinabgehen, wie im Schiff) sind diese Arabesken
vorzüglich reich gebildet und steigen bis in die Rosen der Fenster empor;
im SchitT sind sie einfacher und es crhcbt sich über ihnen hier ein schlich-
tes, farbig damascirtes 'l'eppichwerk. Unter der Leitung von H. lless und
durch scincr Richtung verwandte Künstler componirt, haben die figürlichen
Darstellungen ganz die hohe ernste Grazie und Anmuth, die diesem Meister
eigen ist; die ornainentistischen Thcilc, von Ainmüller, dem Inspector
der Glasmalcreianstalt zu München, selbst entworfen, enthalten den grössten
Rciclithum edelster Formen. So bewältigcnd indess der crste Eindruck
dieser Werke ist, so würdig und gross sie den allgemeinen stylistischen
Anforderungen gemäss gehalten sind, so viel Schönes sich in ihren Einzel-
heiten bemerklich macht, so traten mir bei näherer Betrachtung dennoch
verschiedene Mängel in Rücksicht auf dic nothwentligcn stylistischen