Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

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Kunstreise 
Jahr 
1845. 
kung hervorbringen, die Nothwendigkeit einer im Ganzen einfachen Linien- 
führung beruht. Die Breite der Umrisse entsteht bekanntlich durch die 
Anwendung des Bleies zum Zusammenfügen der verschiedenen Glasstücke, 
die naturgemäss nach den in der Composition vorhandenen Conturen zu- 
geschnitten werden. Diese dicken Bleiconture machen es aber nöthig, 
dass ebenso auch die übrigen hervorstcchenden Umrisslinien in entspre- 
chender Stärke gezeichnet werden; und nicht minder bedingt es das einfache 
Gesetz der Harmonie, dass auch die Modellirung, die gesammte malerische 
Behandlung in ähnlicher Breite und Derbheit  also mit Uebergehung 
jener feineren Durchbildung des Details  durchgeführt wird, was ohne- 
hin bei dem, dem Auge ferneren Standpunkte dieser Malereien, wenigstens 
wenn sie sich in Kirchenfenstern befinden, überflüssig ist.  Besondere 
Bedingnisse für die monumentale Glasmalerei entstehen ausserdem noch 
aus den Rücksichten, welche auf die Gebrechlichkeit des Materials und auf 
die Anwendbarkeit von verhältnissmässig stets nur kleinen Glastafelxi ge- 
nommen werden müssen. Die Festigkeit dcs Ganzen erfordert die Anord- 
nung starker Sprossen und breiter eiserner Querbänder, die Zugrundelegtzng 
eines Netzes von fester, bestimmter Form, dem die Composition des Glas- 
bildes so eingefügt werden muss, dass sie sich, tFOtZ 519595 Hemmnisseä 
doch ohne eigentliche Störung entwickelt, was nothwendig wiederum auf 
das Gesetz einer einfachen Stylistik zurückführt. Die Kleinheit der Plat- 
ten aber macht es nöthig, dass die Entfernung (ler in der Composition 
vorhandenen Urnrisslinien von einander sich nie über dieses Maass hinaus 
erstreckt, soll anders die Form nicht durch eine Bleilinie durchschnitten 
werden. Jenes Netz von Sprossen und breiten Querbändern durchschneidet 
allerdings nicht selten die Formen, doch macht dasselbe mehr nur den 
Eindruck eines Gitters, durch welches hindurch man die Composition er- 
blickt. Zu diesen Gittertheilen gehören auch gewisse schwächere Befesti- 
gungsbäntler, die sogenannten Windeisen, die besonders in der altern 
Glasmalerei parallel mit den übrigen horizontalen Bändern geführt zu 
werden pflegen. Kann man indess die Windeisen über den Umrisslinien 
der Composition anbringen, so gewinnt man für letztere den Vortheil einer 
freieren Entwickelung; doch vermehrt dies naturgcmäss das Bedürfniss 
einer möglichst einfachen Führung der Umrisse und die Breite desselben. 
Die Summe dieser verschiedenartigen Bedingnisse, zu denen sich so- 
dann noch die anderweitig schwierige Technik der Farbenbereitung und 
des Auftragens und Einbrennens der Farbe gesellt, erklärt es hinlänglich. 
wesshalb sich, trotz der häufigen Anwendung dieses Kunstfaches in frühe- 
ren Jahrhunderten und des im Allgemeinen wohlgefälligen Eindruckes, den 
die gemalten Fenster besonders in den gothischen Kirchen hervorbringen, 
doch nur höchst selten monumentale Glasmalereien von wahrhaft künstleri- 
scher Vollendung vorfinden. Fast zu den befricdigendsten der früheren 
Zeit gehören die aus der ersten Blüthenepoche dieses Kunstzweiges, aus 
dem dreizehnten und vierzehnten Jahrhundert, wo das Ganze teppichartig 
und demgemäss in bestimmter, halb architektonischer Stylistik gehalten zu 
sein pflegt und wo bei den, im Einschluss des Ornamentcs enthaltenen 
figürlichen Compositionen noch gar keine Rücksicht auf malerische Behandlung 
stattfindet. Etwa vom Anfange des fünfzehnten Jahrhunderts ab gewinnt 
das Figürliche mehr Selbständigkeit und demgemäss die malerische Behand- 
lung mehr Geltung; aber nun gelingt es auch nur sehr selten, die Glut 
der Farbe zu bewältigen und die dadurch hervorgebrachte Buntheit zu
	        
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