Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Vorlesung 
über das 
historische Museum 
Zll 
Versailles etc. 
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markvollen historischen Studium, so dass sie auch nicht zu einer Wieder- 
geburt der Geschichte zu kommen vermögen. Selbst genauere Kostüm- 
studien zeigen sich nur gelegentlich, zumeist besteht das dargestellte 
Kostüm aus Theatergarderobe. Die Aufgabe hebt nur selten den histori- 
schen Moment in seiner grossen ethischen Bedeutung hervor; die Darstel- 
lung hat im Gegenthcil einen mehr oder weniger zufälligen Charakter, 
wobei der Künstler zufrieden ist, wenn ihm nur Gelegenheit zu irgend 
einer theatralischen Anordnung oder zur Ausbreitung der bunten Farben 
seines Malkastens geboten wurde. Selbst Horacc Vernet erscheint in 
den Bildern dieser Art wiederum nur als sehr ausgezeichneter Virtuos; 
Steuben, Schnetz, Deveria, Delacroix u. A. haben in ihrer Art 
Tüchtiges, doch im höheren Sinne nicht eigentlich Befriedigendes geleistet, 
Am wenigsten finden wir Grösse des Styles in diesen Bildern. Signol 
hat in einer Kreuzzugpredigt des heil. Bernhard von Clairvaux gute sty- 
listische Momente entwickelt. Ary Scheffer, der zu den stylvollsten 
unter den französischen Künstlern gehört und uns wegen seinerVerwandt- 
schaft mit der deutschen Kunst interessant ist, genügt hier ebenfalls nicht; 
seine Bilder haben hier eine gewisse oberflächliche Allgemeinheit; nur 
sein Chlodwig in der Schlacht von Zülpich zeichnet sich durch eine ge- 
wisse Grösse des Sinnes aus. Die Franzosen erkennen diese Mängel selbst 
an; man hat mir mehrfach gesagt, ich würde diesem oder jenem Meister 
Unrecht thun, wenn ich ihn nach seinen in Versailles befindlichen Ge- 
mälden bcurtheilen trolle. Die Schnelligkeit, mit der das grossc Museum 
eingerichtet werden musste, scheint also nicht ganz gute Früchte getragen 
zu haben; es war wenigstens nicht überall auf eine so siegreiche Genia- 
lität, wie sie tlorace Vernet in den afrikanischen Bildern dargelegt hat, 
zu rechnen.  
Die historische Richtung der heutigen französischen Kunst ist aber 
mit den Gemälden von Versailles nicht abgeschlossen. Häufig haben die 
Künstler nach freier Wahl historische Momente behandelt, die ihnen durch 
irgend einen grossartigen Contlict, durch irgend ein ergreifendes morali- 
sches Verhältnis-s zur künstlerischen Darstellung besonders geeignet schie- 
nen. ln diesen Bildern bemerken wir nicht ganz selten ein sinnvolles 
Versenken in die Aufgabe, eine lebenswarme, frische, mehrfach auch in 
edler Haltung gegebene ltlntwickclung derselben. Die Galleric des L uxeni- 
bourg,  ein Museum, welches ausschliesslich der Kunst der Gegenwart 
gewidmet ist und dessen Meisterwerke eine sehr belehrende Uebersicht. 
über die Richtungen der heutigen französischen Kunst gewähren,  besitzt 
sehr schätzenswerthe Arbeiten solcher Art. Vornehmlich ausgezeichnet 
sind die historischen Gemälde von Paul Delaroche, der in ihnen be- 
sonders gern Momente der englischen Geschichte dargestellt hat. Seine 
Bilder des Todes der Königin Elisabeth, der Söhne Eduard's lV. im 
Tower u. a. m. sind auch bei uns in den Kupferstichen bekannt und 
geschätzt. 
Nur beiläufig kann ich darauf hindeuten, dass eine verwandte und 
sehr beachtenswerthe Kunstrichtung in Belgien erwacht ist. Wir haben 
in den beiden grosscn Gemälden von Gallait und de Biefve auf einer 
unsrer Kunstausstellungen sehr ausgezeichnete Beispiele dieser belgisch 
historischen Malerei bewundert. Beiden Meistern reihen sich in ähnlichem 
Streben andre Künsler an, namentlich de Keyser und Wappers. Die
	        
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