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Kunstreise
Jahr
zurückgekommen, weil den italienischen (der belgischen Nationalität frem"
den) Meisterwerken gegenüber nur der ganz fertige und mit sich einige
Meister bestehen und von ihnen den erforderlichen Nutzen ziehen könne.
Es dürfte demgemäss auch hierin mit der Zeit eine Aenderung eintreten.
Die änsseren Einrichtungen der Akademie (soweit dieselben bis jetzt
vorhanden) sind vortrefflich und der Bedeutung der Anstalt völlig ange-
messen. Ein Gartenraum, statt des Vorhofcs, scheidet die Anstalt von dem
Treiben der Strasse. Linker Hand ist Wohnung und Atelier des Direktors;
im Hintergrund, an einer im Garten aufgestellten Kolossalbüste Rubens
vorüber, gelangt man zu den geräumigen Gebäuden, welche die Lokali-
täten für den Unterricht, für Administration und Utensilien-Vorräthe. das
berühmte städtische Museum, in dem beiläufig die Schüler der Malclasscn
sich im Copiren üben, und die Ansstellungssäle enthalten. (Ueber die
Ausstellungen selbst kann ich erst weiter unten sprechen.) Die Uebnngs-
und Arbeite-Säle haben, wie auch die des Museums und die für die Aus-
stellungen, die höchst lobenswerthe Einrichtung einer vollen Beleuchtung
von oben, wodurch so sehr an zweckmässig benutzbarem Raume gewonnen
und zugleich eine übersichtlichere Disposition im Innern jedes Saales
möglich gemacht wird. In solcher Art sind z. B. die Säle zum Zeichnen
nach der Antike und die zum Zeichnen nach dem lebenden Modell bei
Tagesbeleuchtung, im Sommercursus, beschaffen. Beiläufig muss ich auch
der sehr zwcckmässigen Einrichtung bei den fiypsmotiellen nach der An-
tike erwähnen, dass die Postamente, auf welchen dieselben befestigt sind,
auf nach allen Seiten beweglichen Rollen stehen und dass man sie solcher-
gestalt da zugleich der Boden in diesen Lokalen durchweg aus Stein-
platten besteht und keine Schwellen in den 'i'hüren befindlich sind mit
grosser Bequemlichkeit aus dem Vorrathsraume in die Zeichnensäle schaf-
fen und in diesen je nach dem Bedürfniss wenden kann.
Zum Zeichnen nach der Antike und nach dem lebenden Modell bei
Lampenlicht sind besondre Säle bestimmt. Täglich werden vier lebende
Modelle gestellt, eins davon bekleidet, für Genremaler. In der Anatomie-
Classe sah ich die eigenthümlichen, von dem Lehrer derselben, dem Bild-
hauer Professor Geefs (Bruder des bekannten Bildhauers Geefs in Brüssel)
gefertigten Vorbilder, welche von Sachverständigen als dem Unterricht
sehr erspriesslich gerühmt wurden und aus verschiedenen, übereinander-
zu legenden Gartens, je nach der Lage der Muskeln, Sehnen u. s. w., be-
stehen." In der Elementar-Zeichnen-Olasse erfreuten mich die grossen
Wandtafeln, auf denen für die ersten Anfänger die Vorbilder mit Kreide
in grossem Maassstabe hingezeichnct werden. In allen Uebungssälen
dürfen diejenigen, die nicht durch andre Lehrgegenständc in Anspruch
genommen sind, auch ausser den eigentlichen Unterrichtsstunden den gau-
zen Tag über arbeiten, indem zur Aufsicht besondre Survcillrznts angestellt
sind. Ueberhaupt wird alles Streben der Schüler auf möglichst liberale
Weise gefördert. Die Benutzung der (zwar nur kleinen) Bibliothek z. B.
geschieht ohne sonderliche Formalitäten und Präcatitionen; man sagte mir,
eine Bibliothek wie diese sei eben für den Gebrauch vorhanden und nicht
zur Conservation. Einen ansprechenden Beweis endlich des schönen und
frischen 'l'ons, der unter den Schülern der Anstalt herrscht, schienen mir
die grossen Tafeln mit Mnsiknotcn zu geben, die ich in einer der Classen
aufgestelltfand. Sie gehörten einem Gesangverein der Schüler an, dem
hier seine Uebungen abzuhalten gestattet war. Während meines Bcstiches