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Kunstreise
im
Jahr
1sgs.
Museen des Louvre, Werke älterer Kunst aus allen Zeiten und Ländern
umfassend, das im Luxembourg befindliche Museum von Arbeiten lebender
Künstler, die Gallerie des Palais royal, gleichfalls aus neueren Werken
bestehend, das fast unermessliche historische Museum im königlichen
Schlosse zu Versailles gehören vornehmlich hieher. Aehnlich verhält es
sich mit den an Kunstschätzen mehr oder weniger reichen königlichen
Schlössern des Elysee Bourbon, zu St. Cloud, Meudon, Trianon, Fontaine-
bleau, Cornpiegne, deren Besuch zu festgestellten Stunden, jedoch auf
besondre Erlaubnisskarten, freigestellt ist. So rcssortiren u. a. auch die
beiden Anstalten, welche einem vorzüglich glänzenden Kunstlnxus gewid-
met sind, die Manufaktur der Gobelins zu Paris und die Porzellan-Manu-
faktur zu Sevres (wo bekanntlich zugleich Porzellan-Malerei und Glas-
Malerei auf umfassende Weise geübt werden) von der General-Intendantur
der königlichen Civilliste, und auch für ihren Besuch von Seiten des
Publikums sind bestimmte Stunden festgesetzt.
Ich kann hiebei übrigens die Bemerkung nicht unterdrücken, dass
einzelne jener Museen in ihrer äusseren Einrichtung nicht ganz den wür-
digen, gemessenen Eindruck machen, den man nach ihrer Berühmtheit
erwarten möchte. Den Räumen des Louvre namentlich fehlt Ueberein-
Stimmung; sie haben zum Theil etwas Uhfertiges; es ist, als 0b sich der
vielfache Dynastieenwechsel in der neueren Geschichte Frankreichs darin
ausspräche. Mit der prachtvollen Ausstattung einzelner Theile (die zu-
gleich nicht immer den Zweck, die aufgestellten Gegenstände möglichst
genau und vollständig sichtbar zu machen, im Auge behält) contrastirt der
fast allzu grosse Mangel an räumlicher Eleganz in andern. Auffallend
war es mir, dass namentlich auch das erst unter dem jetzigen Könige
beschalifte spanische Museum in seiner Umgebung noch so wenig monu-
mentalen Charakter hat. Auch die berühmte grosse Gallerie, welche den
Louvre mit den Tuilerieen verbindet und Wo die Meisterwerke älterer
Malerei hängen, hat, wenigstens in Rücksicht auf die Beleuchtung, keine
sehr rühmenswerthe Einrichtung. So musste ich ferner bedauern, dass
man die grossen Copien nach Raphaels Fresken in den vatikanischen
Stanzen, welche der Louvre besitzt, nicht zur Grundlage einer besondern
Sammlung von Copien nach den Gemälden der ersten italienischen Meister
zusammengeordnet und dass man es nicht möglich gemacht hat, die im
Obigen genannten, in der Ecole des beaux-arts befindlichen Copien nach
Michelangelo und Raphael damit zu vereinen; ebenso, dass man im Louvre
(und- zwar in verschiedenen Theilen desselben) und in der Ecole des
beaux-arts verschiedene Sammlungen von Gypsabgüssen eingerichtet hat,
statt die Kräfte zu einem grossen und umfassenden Museum an Werken
solcher Art zusammenzuhalten. i) Das Museum des Luxembourg,
der lebenden französischen Kunst gewidmet, ist bekanntlich in Rücksicht
auf die Zahl und zumeist auch auf die räumliche Grösse der dort aufge-
stellten Meisterwerke bis jetzt einzig in seiner Art. Doch hat die ganze
1) Zur Erklärung dieser Erscheinung dient vielleicht die in Frankreich
stattfindende Eifersucht zwischen den verschiedenen Staats-Gewalten. Auch mag
die befremdliche Anhäufung von Kunstsammlungen in der Ecole des beaux-arts
(die, wie schon bemerkt, besonders durch Thiers veranlasst sein soll) ein Ver-
such gewesen sein, das königliche Vorrecht in Betr-elf der unbedingten Verwal-
tung der öäentlichen Kunstsammlungen zu untergraben.