John FlaxmaIUS Umrisse zu Dante AlighierPs götttlicher K0-
mödie. Erste Lieferung. Hölle. Carlsruhe, Kunstverlag, W. Creuz-
bauer. London, A. Schloss 8c Gomp. Paris, J. Veith.
(Museum 1833, No. 34.)
Flaxman ist der Meister in der Umrissdarstellung. Seine Compo-
sitionen haben etwas eigenthümlich Gehaltenes und Gemessenes, ich möchte
sagen, etwas Schweigsarnes, das in keiner andern Weise der Darstellung
zu erreichen sein dürfte. Er weiss den inneren poetischen Gehalt eines
Momentes mit wenig Strichen anzudeuten, indem er es der Phantasie des
Bcschauers überlässt, diese Andeutungen zum vollständigen Bilde auszu-
führen. Dass er ihn dazu zwingt, darin beruht eben seine poetische
Kraft, das Geheimniss seines künstlerischen Schaffens; und der Reichthum
seines Genies ist bedeutend genug, um uns bei jedem Blatte von Neuem
zu fesseln.
Bei Gegenständen, die aus der antiken Mythe entnommen sind, liegt
uns eine solche Darstellung bereits näher; die plastische Entwickelung der
Figuren und Gruppen, vornehmlich in den Reliefs, hat hier unsern Sinn
an eine solche Anschauung schon mehr gewöhnt. Es bedarf hier in der
Regel nur der Modellirung, um das im Umriss angedeutete Kunstwerk zu
vollenden. Wenn Flaxman in seinen Umrissen zum Homer und Aeschylus
zuweilen etwas weiter geht und mehr andeutet, als die bloss plastische
Ausführung hinzufügen könnte (so in der Leukothea, Odyssee Bl. 9, im
Neptun, Ilias, Bl. 22, u. a. so scheint uns das eines Theils zwar nur
desshalb so, weil wir den Gelehrten bisher geglaubt haben, dass die antike
Kunst so farblos und grau in grau gewesen sei, wie die heutige; anderen
Theils aber liegt es allerdings auch in einer eigenthümlich phantastischen
Richtung des Zeichners.
Bestimmter spricht sich diese phantastische Richtung in den Blättern
aus, welche er zu Dichtungen der romantischen Zeit, namentlich zu Dante's
göttlicher Komödie geliefert hat. Hier ist minder Gelegenheit zu jener
plastischen Auffassung des Gegenstandes; ja, es würde eine solche mit
demselben zumeist im Widerspruch stehen: aber noch mehr, wie dort, ist
hier diese Darstellung im Umriss zweekgemäss, zumeist nothwendig. Jenes
göttliche Gedicht, welches sich stets an der Gränze des Sinnlichen und
Uebersinnlichen hinzieht, erlaubt es nicht, seinen Gestalten volle, körper-
liche Consistenz zu geben; es sollen dieselben mehr mit dem inneren, als
mit dem äusseren Auge angesehen werden. Jene dämonischen Gestalten
namentlich, in ihrer mehr willkürlich phantastischen Formenbildung, welche
einen grossen Theil des Hintergrundes ausmachen, jene verzerrten, wild
umhergetriebenen Verdammten gehören hieher; so auch jene beiden
schweigen-den Wandrer, Dante und Virgil, mit ihren in langen florentlni-
sehen Falten niederhängenden Mänteln. Es ist wohlgethan, wenn der
Künstler ihr Bild im Beschauer nur weckt, nicht ihm geradezu damit
gegenüber tritt.
Wenn Flaxman mit seinen Umrissen zum Homer bereits vollständig
bei uns eingebürgert ist, so ist dies nicht mit denen zum Dante derselbe
Fall. Grossen Dank sind wir somit dem in der Ueberschrift genannten
Kunstverlag schuldig, welcher auch die letzteren (wie er es bereits mit