Kunst-Anstalt an
Frankreich
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nung der Sitzplätze in der Gypsclasse, und die Leistungen schienen
mir dem vollständig zu entsprechen, was bei einem Unterricht von nur
zwei Stunden wöchentlich erwartet werden darf. Auch bei diesem Unter-
richt findet die Rücksicht auf stets wiederholte Coucurrenzen statt.
Was für den eigentlichen Kunst-Unterricht von Seiten des Staates
geschieht, ist dagegen äusserst mässig, wenigstens sofern es sich um die
Feststellung einer sicheren, den ganzen künstlerischen Beruf wahrhaft
stützenden Grundlage handelt. Man ist hier im Wesentlichen durchaus
noch bei den Einrichtungen einer früheren Zeit bei denen nemlich, die
unter Louis XIV. gegründet wurden, stehen geblieben, obgleich die
Gegenwart, der raschere Umschwung und der so bedeutend vermehrte Be-
trieb in derselben wesentlich abweichende Bedürfnisse hervorgerufen haben.
Man sagte mir zwar, dass man das Bedürfniss einer Reform des Kunst-
Unterrichts, welches sich heute fast überall kund giebt, auch hier empfinde,
dass man aber grosses Bedenken trage, ein bewährtes Altes zu beseitigen,
bevor man nicht über die Gestaltung des Neuen zu einem klaren Urtheil
gelangt sei. Indess kann ich kaum glauben, dass dieses Bedürfuiss schon
in irgend überwiegendem Maasse hervorgetreten sei, da man erst unlängst
eine Erneuung des Reglements der Ecole des beaux-arts vorgenommen und
hierin die Bestimmungen des älteren Reglements nur geschärft hat.
Flcole
des
beaux-arts
ZU
Paris.
Die Ecole des beaux-arts zu Paris, welche als die hohe Schule der
Kunst für Frankreich gilt, ist, sofern es auf eine umfassendere Ausbildung
in den Fächern der bildenden Künste ankommt, lediglich nur als ein Hülfs-
Institut zu betrachten. Sie setzt anderweitig Gelegenheiten zur wirklichen
künstlerischen Ausbildung voraus und dient nur zur Unterstützung der-
selben durch die reicheren Mittel. welche einer Staats-Anstalt zu Gebote
stehen. Der äussere Anschein ist dem zwar sehr entgegen. Mit pracht-
vollen und sehr geräumigen Lokalitäten, mit glänzenden Kunstsammlungen
ausgestattet, ist die Ecole des beauw-arts geeignet, sowohl das Kunstleben
an sich auf imponireude Weise zu repräsentiren, als überhaupt dem Na-
tionalstolz der Franzosen aufs Lebhafteste zu schrneicheln. Ich erlaube mir,
zunächst ein Paar Worte über das Lokal und die Sammlungen zu sagen.
Die der Ecole des beaux-arts zugehörigen Gebäude nehmen den Raum
des ehemaligen Klosters des petits Augustins ein, wo zur Revolutionszeit
das berühmte Musöe des onommzevzs frangais eingerichtet war. Der neue
Bau des eigentlichen Palais des beauzv-arts, erst unter der gegenwärtigen
Regierung ausgeführt, rührt von dem Architekten Duban her; er ist in ein-
fach edlem Reuaissance-Styl gehalten und möchte leicht als die schönste
aller neueren Architekturen von Paris zu bezeichnen sein. Ein ziemlich
ansehnlicher Vorhof ist nach der Strassenseite durch ein Gitter abgeschlossen.
Seitengcbäude stossen zur Rechten an diesen Hof, dekorirt mit einem präch-
tigen Portal, das mehrere Säulenstellungen übereinander enthälrund von
dem im J. 1548 durch Philibert Delorme gebauten Schlosse Anet entnommen
ist. Die Hinterseiten des Vorhofes bilden niedere Mauern, und in der Mitte
ist ein brillanter, Tkiumphbogen-artiger Bau, ein Fragment des Schlosses
von Gaillon, welches zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts, gothische
Kugler, Kleine Schriften. III. 28