K u nstreise
Jahr
1845.
Klasse fürOrnarnent-Composition bewunderte ich die wahrhaft classischen
Vorbilder, welche der Lehrer zur Verdeutlichung seines Vortrages vor den
Augen der Schüler mit breitem Pinsel auf das aufgespannte Papier hin-
wirft. Es ist die Einrichtung getroffen, dass die schon in den WVerkstätten
beschäftigten jungen Handwerker den betreffenden Unterricht in den späte-
ren Abendstunden erhalten. Nach ächt französischer Sitte wird der Eifer
der Schüler durch eine Menge von Concurrenzen rege erhalten. Derglei-
chen finden theils monatlich statt, zur stets erneuten Vertheilung der Plätze;
theils sind es vierteljährliche, halbjährliche oder jährliche Concurrenzen.
Eine Jury, aus dem Collegium der Professoren und einer ebenso grossen
Zahl andrer Personen (Mitgliedern der Acadämie des beauw-arts oder ehe-
maligen Pensionärs der Acadävzzie de France in Rom), entscheidet über die
(loneurrenz-Arbeiten. Die Preise bestehen in Büchern. Kupferstichen oder
Medaillen; die der jährlichen Coneurrenz werden in feierlicher öffentlicher
Sitzung, unter Vorsitz des Ministers des Innern, des Seinopräfecten oder
eines andern höheren Beamten, ertheilt. Der steten Concurenzen wegen
werden in den einzelnen Klassen gleichzeitig immer dieselben Gegenstände
gearbeitet; daher bestehen die Vorbilder aus lithographirten Blättern und
sind die Plätze der Gypsklasse theatralisch, mit einem Modell in der
Mitte, angeordnet. Vorzüglich ausgezeichnete Schüler erhalten ein Diplom.
welches ihnen den Titel des „Eläve de Päcole" giebt; den allerbesten aber
wird ein besondrer "Ehrenpreis", unter dem Namen nprzlr Percier", der in
einer Medaille mit dem Namen des Schülers besteht, ertheilt. Der Un-
terricht wird regulirt und in regelmässigem Gange erhalten durch das
Collegium der Professoren, welches, unter Vorsitz des Directors, monatlich
seine regelmässigen Sitzungen hält. Der Director erstattet dem Ministerium
vierteljährliche Berichte und jährlich einen General-Rapport. Zur ver-
mehrten Controle der Anstalt dient eine bcsondre "Commission de sur-
veillance et de perfectionnetnent."
Eine zweite Schule ähnlicher Art in Paris, die wie die ebengenannte
vom Ministerium des Innern ressortirt, ist. zum Unterricht der jungen
Mädchen bestimmt, welche sich der Kunst oder den industriellen GGWVGY-
ben widmen wollen. Hier wird das Zeichnen von Figuren, Ornamenten,
Landschaften, Thieren, Blumen und lithographisches Zeichnen gelehrt. Bei
den jährlich stattfindenden Coneurrenzen werden silberne Medaillen, und
ausserdem, als bcsondre Ehren-Preise, grosse Medaillen und Diplome
vertheilt.
Neben diesen Staats-Schulen ist jedoch in Paris noch eine Anzahl
städtischer Schulen, etwa sechs, vorhanden, die gleichfalls vorzugsweise
zur Ausbildung der Handwerker bestimmt sind und in denen des Abends
von 7 bis 10 Uhr gezeichnet wird. Man übt sich hier, wie mir berichtet
wurde, insbesondre in den Darstellungen der menschlichen Gestalt, nach
Vorlegeblättern, nach Gyps-Ahgüssen und in einigen dieser Schulen selbst
was in jener Ecole royale de dass-in nicht stattfindet nach dem leben-
den Modell. Uebereinstimmenrl mit diesen Verhältnissen ist es endlich,
dass selbst in den Primair-Schnlen auf den Zeichnen-Unterricht schon
bcsondre Sorgfalt verwandt wird. In der einen dieser Schulen, die ich
besuchte, betraf der Zeichnen-Unterricht zwar nur das geometrische und
das freie Ornament-Zeichnen; aber die äussere Einrichtung war bei mässi-
gen Mitteln vortrefflich Oberlicht von der Decke, sowie anderweitig
zweckmässige Arrangements in den Hauptsälen, und theatralische Anord-