Belgische Lithographie.
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dunkles auflegte. An solchen kleinen Arbeiten findet sich im Besitz der
harnburgischen Kunstfreunde eine unzählbarc Menge. Das vorliegende
Heft (dem recht bald weitere Fortsetzungen folgen mögen), bringt 11115
Nachbildungen .von nahe an 50 Stücken. In der That müssen wir hier
der geistreichen Weise, wie sich durch die blosse Umziehung des äussern
Contours die geschmackvollsten Compositionen ergeben, der sinnvollen
Naturbeobachtung, der feinen und stets charakteristischen Führung der
Linien die vollste Anerkennung zollen. Auch diese Blätter, mit Sorgfalt
ausgeschnitten wie die Originale. müssen auf einen Jeden den erfreulich-
sten Eindruck hervorbringen; die Jugend aber wird durch das Spiel des
Nachzeichnens und Nachschneidens gewiss auf eine, wenn auch unbewusste,
doch sehr wirksame Weise das Gefühl für die Bedeutung des Contours in
der Kunst ausbilden.
Ueber den Inhalt des unter Nr. 2 angeführten Heftes wäre es über-
flüssig, hier etwas Näheres zu sagen. Die Ansicht der Herausgeberin, dass
die Schlichtheit und die sorgliche Treue der älteren Meister im Fache der
Landschaft vorzüglich (und bei weitem besser, als die moderne Effekt-
hascherei) geeignet sei, den Blick der Jugend für eine gründliche und
naive Naturbeobachtung zu eröffnen, kann des Bcifalls aller wahrhaft
Kunstverständigen versichert sein. Es ist nur zu wünschen, dass auch dies
Unternehmen diejenige Theilnahme finden möge, von der seine weitere
Fortsetzung abhängen muss; gewiss wird dann die Herausgeberin die
schwierige Aufgabe, die scharfen Striche der Radirnadel mit der weichen
lithographischen Kreide wiederzugeben, noch immer glücklicher lösen.
Belgische
Lithographie.
(Kunstlglatt 1844, N0.
Les
Belges illustres.
lion. Imp. 11th. roy.
Peint par H. Decaisne. Lith. par Ch
de P. Degobert. Bruxelles. Gross F01.
Ein sehr iigurenreiches Blatt. Eine prachtvolle I-Iulle in phantastisch
gothischem Style. In der Mitte des Grundes, hoch auf reichgesehmücktem
Throne, die Gestalt der Belgia, ihre Füssc auf dem Löwen ruhend, Kränze
und Palmzweige darreichend. Zu ihren Seiten auf den Stufen des Thro-
nes Fürsten und Herren der Vorzeit. Vorn reiche Gruppen Versammelter,
die sich der Schau darbieten, und unter denen man Staatsmänner, Krieger,
Frauen, Geistliche, Künstler u. s. w. erkennt, unter den letzteren Joh. van
Eyck, van Dyck. Rubens etc. Das Totale des Blattes wohl geordnet, die
einzelnen Hauptgruppen aber überfüllt und eben auf Präsentation berech-
net, ohne jene Naivetät des Bcisammcnseins, die die Musterbilder solcher
Compositionen, Raphaels Fresken in derStanza della Segnatura, auszeich-
net. Die allgemeine Haltung im Uebrigen besonnen und energisch, der
lithographische Vortrag bestimmt und sicher.