Reisenotizen
VUID
Jah
1843.
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und Detaillirung. im Innern ist das Pfeilerkapitäl mit schwvgrenh nicht
geschmackvoll byzantinischern Blattwcrk versehen, das in" den Ecken selbst
roh von einem Wandpfeiler zum andern hinläuft. Oberhalb hat die
Basilika, an ihrer Plingangsscite, eine Lege, die sich aussen durch eine
Art tlorentinischer Fenster öffnet. Diese sind im Halbkrcise überwölbt,
mit einem Säulchen in der Mitte und einer (ziemlich nüchtern gebildeten)
Bogentheilung im Einschluss des Halbkreises. Statt aber principmässig von
dem Säulchen auszugehen, wird die Bogentheilung von dieser durch ein
schweres querdurchlaufendes Gebälk abgetrennt. Sonst ist der Oberbau in
höchst disharrnonischer Weise mit flachbogigcn (durch ein Kreissegment
überwölbten) Fenstern versehen. Das gesammte innere ist mit grellelll und
schwerem byzantinisirenden Ornament überladen; indess gebricht es dem
letzteren im Einzelnen keinesvreges an schöner Composition. Oben in der
Absis sind barock münchnerische Tänzergruppen, unten Landschaften gemalt-
Ueber einem der Brunnen zu Kissingen ist- ein merkwürdiges Trink-
zelt errichtet, reich aus Eisen eonstrtiirt, ein elegantes und construetiv
vergnügliches Werk.
Zu Stuttgart, in der öffentlichen Kunstsammlung, sah ich jenes Ge-
mälde von Schick, Apoll unter den Hirten, das für die Entwicke-
lungsgeschiehte der neueren deutschen Kunst eine so vorzügliche Bedeu-
tung hat. Ich fand indess, dass das eigentlich Schätzbart: an diesem Bilde
in seiner, durch Stich und Steiudruck schon bekannten Zeichnung beruht.
Die Farbe ist couventionell, etwa im alten David'schen Sinne; die Land
schait in jener geistreich conventionellen WVeise, die man die historische
genannt hat, in der sich aber ganz abgesehen von dem Mangel aller
Luftwirkungen das naivbnwillkürliche ebenfalls nicht findet.
Unter den Kunstschätzen des Schlosses Rosenstein bei Stuttgart war
mir besonders der sogenannte Anakreon von Kaulbach interessant; das
erste ausgeführte Qenrälde, das ich von der Hand dieses Meisters sah. Es
1st das Bild des Dichters mit seiner Geliebten, während Amor die Lampe
schürt, etwa der entsprechenden Scene in Goethe's römischen Elegieen
nachgebildet. Des schönen Cartons zu dieser Composition hatte ich mich
schon früher bei Felsing in Darmstadt, dem Kupferstecher, erfreut;
das Gemälde erschien mir bei Weitem weniger wirkungsrcich. Der Künstler-
hat malen und malerischen Effekt erreichen wollen; aber es fehlt hier noch
an der eigentlich malerischen Richtung, selbst an seiner schiiesslichen
plastischen Durchbildung, die der Pinsel des Malers wenn einmal ge-
malt wird hinzutragexr soll. Farben und Lichter haben etwas modern
Gesuchtes; sogar die Zeichnung, besonders in der Gewandung, macht hier,
bei der doch kräftigeren Wirksamkeit der Farbe, den Eindruck des con-
ventionell Ausstudirten, Zahmen. Von dem Hrtuehe des frisch Genialen,
Unmittelbaren, Entstandenen (nicht Gemachtcn) war eigentlich Nichts in
dem Bilde. Der künstlerische Gedanke desselben war schön; aber er
hat hier Fleisch werden sollen, und die Kraft zu solchem Prozess war
nicht vorhanden.
Ebenfalls auf Schloss Rosenstein sah ich ein Exemplar der berühmten
Sakontala von Riedel, die, mit vollen orientalischen Blumen im Haar
und einer Art Bastschurz um die Hüften, durch fremdartiges Gebüsch und
Farrenkraut zum Beschauer heransblickt, während eine Gazelle ihr die
Hand leckt. Colorit und Beleuchtung sind von fast zauberhafter Wirkung.
Bei allem Reiz aber und bei aller Zartheit ist doch auch dies Bild nicht