Berichte,
K ritikem
Erörtarungo
die Richter nicht mehr in ihrer feierlichen Ruhe sitzen, da müssen noth-
wendig die Gemüther, die Elemente, die Linien und Formen des Bildes
in grösserem Aufruhr erscheinen. Hier noch kindliche Symbolik festzu-
halten, ist keine künstlerische Wahrheit mehr; wir könnten das nur zu-
geben, wenn das Ganze durchaus architektonisch ornamental aufgefasst
gewesen wäre.
Noch habe ich ein Bild deutscher Kunst zu erwähnen, welches sich
auf der Kölner Ausstellung befand, "Christus den Untergang Jerusalems
weissagend," von C. Begas in Berlin. Das grosse Bild ist in diesen Blät-
tern schon früher besprochen worden. Das tiefe, ernste, innerliche Gefühl,
welches darin waltet, die so wohl gemessene wie ungezwungene Colnpß-
sition, die volle lebendige Frische desselben, liessen dasselbe seinen Platz
behaupten, wie wenig andre. Ich kehrte zu dem Bilde zurück, als der
Abend bereits zu dunkeln begann. Zu seiner Linken hing Hildebrandfs
Doge, zur Rechten das Bild mit den webklagenden Israeliten, von Vieille-
voye. Die schönen Gestalten des Hildehrandfschen Bildes verblichen vor
der einbrechenden Dämmerung zu grauen Schatten; aus den belgischen
lsraeliten blitzten spukhaft allerhand phantastische Lichter hervor; aber
klar und warm. wie von selbständigem Lichte erfüllt, von dem Ausdrucke
tiefer Wehmuth überschattet und doch voll ungetrübten Lebens, schim-
merten die Gestalten desBegadschen Bildes durch den verdunkelten Saal.
Reisenotizen
VOII]
Jahre
1843.
Auf der Reise, welchc zu dem vorstehenden Berichte Veranlassung
gab, hatte ich Gelegenheit, noch einige andre Werke neuerer Kunst, die
für diese und jene künstlerische Richtung ebenfalls von Bedeutung sind,
zu beobachten.
In Kis singen waren es der Kursaal und die mit demselben in Verbin-
dung stehenden Arkaden der Trinkhalle, was meine nähere Aufmerksam-
keit in Anspruch nahm. Es ist ein architektonisches Werk von Gärtner
in München. In seiner Gesammtanlage hat dasselbe etwas Mächtiges; in
der künstlerischen Durchführung aber machte es auf mich keinen sonder-
lich erquicklichen Eindruck.
Der Kursaal hat durchaus die Einrichtung einer Basilika, selbst mit
der grossen Absis im Grunde, die aber eine der wesentlichsten Schön-
heiten der Basilikenanlage beeinträchtigend ungewölbt ist. Die in-
neren Arkaden des Saales sind nach demselben Princip behandelt wie die
äusseren der Trinkhalle, nur reicher ornamentirt. DieGesammtverhältnisse
der Arkaden sind gut; ihre Formen jedoch schwer und unentwickelt. Die
Pfeiler sind achteckig oder vielmehr viereckig mit abgefalzten Ecken. lhr
Deckgesims hat keine sonderlich charakteristische Profilirung; ein Stab,
unterhalb desselben, schneidet ein Kapitältheil von der Masse des Pfeilers
ab. Die Bögen sind gegliedert, diese Gliederungen aber fast nur orna-
mentistisch behandelt. An den entsprechenden Stellen treten mächtige
Vvandpfeiler aus den Wänden hervor, doch ohne alle besondre Ablösung