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Berichte,
Kritiken,
Erörterungen.
stehen, und so entschiedene Anerkennung ich, unter den mir bekannt ge-
wordenen Werken ihrer Kunst, namentlich den beiden grossen und viel-
besprochenen Gemälden von Gallait und de Biefve darbringen muss, so
schien mir doch die grosse Anzahl niederländischer Bilder, die ich in Köln
sah, keinesfalls einen eigentlich nationalen Aufschwung der niederländi-
schen Kunst auszusprechen.
Ein Gemeinsames ist mir allerdings in diesen Werken niederländischer
Kunst; entgegengetreten, eine, fast bei Allen wiederkehrende Grundlage,
nämlich die Ausbildung der eignen Praxis durch das Studium der heimi-
schen Meister des siebzehnten Jahrhunderts. Das war auch schon früher,
bei der Ansicht einzelner niederländischer Bilder, zu bemerken; in der
Masse aber bringt es natürlich einen ungleich wirksameren, ungleich auf-
falligcren Eindruck hervor. ln der Anwendung dieses Studiums lassen
sich sodann einige vorzüglich charakteristische Verschiedenheiten bemer-
ken. Es ist wie in der Zeit der eklektischen Schulen Italiens: auf der
einen Seite hält man sich an diesem oder jenem älteren Meister fest und
sucht in der Nachahmung von dessen Eigenthümlichkeiten das nöthige
Heil für die Kunst; auf der andern wird aus der bei den Alten üblichen
Darstellungs- und Behandlungsweise ein gewisses Präparat, eine gewisse
Formen- und besonders Farbensoala entnommen, mit der man, mehr oder
weniger Stereotyp, seine künstlerischen Gedanken zum Ausdruck bringt.
Wenn ich nicht irre, so machen sich hiebei wieder die alten National-
Unterschiede zwischen Holländern und Belgiern geltend. Wenigstens zeigte
sich bei der Mehrzahl der holländischen Bilder auch hier eine grössere
Naivetät, sofern sie unbefangen auf vorgezeichnetem oder erwähltem Pfade,
in schlichter Nachahmung älterer Meister, auftraten und etwa von hier aus,
wie es scheint, im einzelnen Falle zu einer selbständig klaren Naturauf-
fassung gelangt waren; während bei den Belgiern vorzugsweise jenes künst-
lerische, zu einer mehr conventionellen Manier führende Studium, als
scheinbar bequemes Mittel für eine grössere subjective Beweglichkeit, oder
auch Willkür, zu bemerken war.
So traten mir zunächst bei den holländischen Bildern mancherlei direkte
Reminiscenzen an diesen oder jenen alten Meister entgegen. Es fehlte
nicht an Nachahmungen von Metzu, Mieris, Schalken, Wouvermans, van
der Necr, Sachtleven u. s. w. Die Nachahmungen waren meist nicht übel,
aber man konnte doch wahrnehmen, dass es den Malern im Ganzen mehr
auf die äusseren Formen ihrer Vorbilder angekommen war. ludess konnte
es, wie bemerkt, nicht fehlen, dass die stille Naivctät der letzteren das
Auge des schaifenden Künstlers hier und dort nicht auch hätte zu einer
freien Naturanschauung führen sollen. Einige Landschaften gaben dafür
sehr erfreuliche Beispiele. Ein Paar Bilder von van de Sande Back-
huyzen, im Haag, hatten sich aus der Richtung eines A. van de Velde
zu schöner Eigenthümlichkeit entwickelt. Von N. J. Rosenboom und
A. Waldorp, beide auch im Haag, sah ich ebenfalls trefflich klare Land-
schaften. Hier, und nicht bei den Belgiern, dürfte auch Engen Ver-
bo cc khoven, in Brüssel, zu nennen sein. Ein Viehstück von ihm zeigte
dieselbe, völlig gediegene Meisterschaft, die wir auf unsern Ausstellungen
schon an früheren Werken seiner Hand bewundert haben, eine so klare,
unbefangene und zugleich künstlerisch beschlossene und durchgebildete
Einführung in das Naturleben, wie wir dergleichen nur bei den grössten
älteren Meistern dieses Faches finden. Wir wollen die Gegenstände Seiner