Umrisse
Schi1ler's
Li-ed
V01]
Glocke.
der
Sculptur.
sten tritt dieser Widerspruch auf dem siebenten Blatte hervor, in welchem
beide Reihen sich begegnen; es ist die Taufe; die heilige Handlung unter
einem Baldachin von gothisch verschlungenen, bedeutungsvollen Ranken
beschlossen. Drüber aber sind es nicht züchtige christliche Engel, welche
dem emporgerichteten Blicke des Predigers begegnen, sondern heidnisch
nackte, fast hermaphroditisch üppige Gestalten, Leid und Freude bezeich-
nend, mit ihren verschiedengeschmückten Urnen für „die schwarzen und
die heitern Loose", welche letzteren als kleine stumme Horen dem Schoosse
der Ewigkeit entquellen.
Die Bilder der dritten Reihe enthalten im Einzelnen höchst Anspre-
chendes und Zartes, so gleich das achte Blatt, „der Mutterliebe zarte Sor-
gen" darstellend. Vortreftlich ist das zehnte Blatt, der Abschied von der
Heimat, von den Eltern und von des Nachbars "Föchterlein: nvom Mäd-
chen reisst sich stolz der Knabe," eine frische, leichte, edle Jünglings-
gestalt, zu allen freudigsten Aussichten für die Zukunft berechtigt. Das
folgende zeigt den jugendlichen Wandrer, der „in,s Leben wild hinaus-
stürmt." Die Wanderschaft führt der Künstler uns in mehreren Blättern
vor; gar schöne ist die Heimkehr in's Haus der Eltern, wo diese den zum
stolzen Mann Herangereiften nicht erkennen und zweifelnd anblicken,
es ist dasselbe Zimmer mit all dem wohlbekannten Geräth, wo einst des
Säuglings Wiege stand. Die ersten Stadien der Liebe, die auf den näch-
sten Blättern folgen, kleiden unsern Freund minder wie seine Wanderlust
(es ist ja auch nicht ein Jeder zum Amoroso geschaffenl), trefflich aber
sind die zärtlichen, unbelauschten Gruppen auf dem neunzehnten und zwan-
zigsten Blatt. Dann kommt das Leben in der selbstgegründeten Heimat;
ausgezeichnet ist hier das vierundzwanzigste Blatt, die Scene, welche das
Walten der Hausfrau darstellt, wie sie die Mädchen unterrichtet und die
wilden Buben, die des Vaters Abwesenheit sehr wohl gemerkt haben, zur
Ruhe weist. Nicht minder schön ist das dreissigste Blatt, die Gruppe nach
dem Brande. Den Aufruhr hat der Zeichner auf zwei Blättern darge-
stellt; das zweite zeigt uns den Markt einer Stadt, auf den man von hohem
Standpunkte nieder-blickt, mit einem Gewühl wilder Gruppen angefüllt;
wir bedauern, dass der Künstler diese Gruppen nicht, wie er Anfangs
Willens war, auf einzelnen Blättern behandelt hat; er hätte Vorzüglichstes
leisten können, und um so Wünschenswertheres, als der grösste Theil der
vorliegenden Umrisse zarteren Scenen gewidmet ist.
Auf jeden Fall wird auch dies YVerk Denen, welche Retzschens Art
und Weise lieben, angenehm sein und manuigfach den Beschauer fesseln
und anregen.
Sculptur.
Berlin.
(Museum
{S83
lm Atelier des Professor Rau ch herrscht unausgesetzt die erfreulichste
Thätigkeit; bedeutendes Neue ist seit unserm letzten Bericht über dasselbe