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Berichte,
Kritiken,
irterul
rgen.
im Eingange seines Artikels, wegen einiger Zcitnngsreferate uwlcrgl. über
Berlin spricht, die nicht minder unpassliche Weise, in welcher er einen
Künstler wie Eduard Magnus, ebenfalls wegen einer Zeitungsnotiz, die
man diesem zuschreibt und die meinethalben einseitig genug abgefasst war,
behandelt, glaube ich mit Stillschweigen übergehen zu dürfen.
Sehr gern gebe ich Ihnen zu, dass beide Bilder keinesweges ganz
tadellose Meisterwerke sind. Es ist an ihnen dieser und jener nicht ganz
unerhebliche Fehler zu bemerken. Was Sie dem Gallaitschen Bilde in
Bezug auf die Mängel des perspectivischen Aufbaues, der Gruppeneinthei-
lung n_ S, _w. vorwerfen, ist unstreitig mehr oder weniger begründet, ebenso
aber auch, was Sie von der Schönheit und Sättigung des Kolorits, von der
bewunderungswürdigen Harmonie der gesammten malerischen Durchbildung
in diesem Gemälde rühmen müssen. Für mein Gefühl war diese Harmo-
nie so bedeutend, dass sie jene Mängel vollständig verdeckte, oder sie
doch erst bemerken liess, als der nüchterne Verstand das Kritisirgeschäft
übernahm. De Biefve's Bild steht niedriger, sofern ihm diese Harmonie,
diese malerische Stylistik fehlt; dafür hat es aber wiederum manche Ein-
zelheiten, die vollendeter sind, als die Einzelheiten des Gallaifschen Bil-
des, was Sie freilich, wie es scheint, nicht gefunden haben. ich will
indess über dergleichen, worüber man nur vor den Gemälden selbst zu
einer Vereinbarung kommen kann, nicht weiter streiten. Ich will nur die
Bemerkung hinzufügen, dass unter den hiesigen Künstlern, die die Malerei
als eine Kunst der Farbe zu fassen gewohnt sind, keiner sich gefunden,
der die Ausführung beider Bilder, und namentlich des Gallaifschen, nicht
im höchsten und bewunderndsten Maasse anerkannt hätte.
Es ist vorzugsweise der geistige Inhalt beider Bilder, die Entwickelung
und die Bedeutung desselben, worüber ich mit Ihnen zu streiten habe.
Gallait werfen Sie vor, dass sein Bild in der Darstellung des gewählten
Gegenstandes, de Biefve gar, dass sein Bild schon in der Wahl des dar-
zustellenden Gegenstandes verfehlt sei. Lassen Sie uns dies etwas näher
betrachten.
Für's Erste eine allgemeine Bemerkung zur weiteren Verständigung_
Beides sind historische Bilder, oder deutlicher, Bilder geschichtlichen In-
halts, und zwar solche, die den Zweck haben, der geschichtlichen Erinne-
rung eines bestimmten Volkes (der Niederländer) als Denkmale zu dienen
und dem Volke an einem Orte von nationaler Bedeutung (dem Palais de
la nation zu Brüssel) als Erinnerungs- und Mahnzeichen gegenüberzutreten.
Die Geschichte aber ist etwas positiv Gegebenes, und die geschichtlich-
künstlerische Darstellung muss nothwendig einen gewissen Grad von Ver-
trautheit mit diesem positiv Gegebcnen voraussetzen. Das ist überall der
Fall, wo es sich um die Darstellung von Begebenheiten handelt. So treff-
lich auch die dramatische Entwickelung in Raphaels Spasimo, in seinem
Tod des Ananias u.s.w. ist, so werden diese Bilder doch dem, welcher die
Bücher des neuen Testaments nicht kennt, dem Türken etwa, dem Chine-
sen u. s. w., ihrer tieferen Bedeutung nach niemals verständlich werden.
Der Künstler muss bei seinen Darstellungen diejenigen Voraussetzungen
machen, die der Zweck seines Werkes erfordert, zu denen ihn das Wissen
und Bewusstsein von Zeit und Nation berechtigen. Gallait und de Biefve
durften diese Voraussetzungen in Bezug auf ihr Volk machen; wenn uns
zufällig die vorausgesetzten Kenntnisse fehlen sollten, so ist es nicht ihre
Schuld.