Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

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Kriti 
Erörterungen 
wendischen Gebäudes. sitzt der Bischof in fcierlichem Ornat; zwei andre. 
spielende Kinder neben ihm, und hinter ihm, stehend, zwei Diakonen. 
Auf der Rechten ist so eben die Mutter herangetreten, die, indem ihre 
Kniee brechen, von einer Tochter und einer Magd gestützt wird; zur äus- 
serstcn Linken reiht sich dieser Gruppe ein wendischer Diener an. Den 
Hintergrund des Gemäldes bildet der eichenbewachsene Schlossberg von 
Stettin und die Aussicht in das Thal des Oderstroms. So ist die Anord- 
nung des Bildes höchst klar, und der Inhalt entwickelt sich auf eine voll- 
kommen verständliche Weise. Denn wenn auch, aus dem blossen An- 
schauen, nicht Alles begriffen werden kann, was in dem Gemüthe der 
Mutter vorgeht, wenn man namentlich auch nicht wissen kann, dass sie 
schon eine heimliche Christin ist, so sehen wir doch, dass das, was ihr 
die Kräfte raubt, in einer tiefen, eher freude- als schmerzvollen Bewegung 
des Innern beruht, und dass diese durch jene Insignien des Christenthums 
geweckt ist. Mehr als das darf aber überall. wie es scheint, von der 
historischen Malerei nicht gefordert werden. Bei der einfachen Anordnung 
des Bildes führt dasselbe die lebendigste Mannigfaltigkeit der Charaktere 
entgegen, die sich, von der Linken zur Rechten, in beredter Stnfenfolge 
entwickelt und uns einen weiten Blick über die Stadien des damaligen 
Lebens verstatten. Zuerst die beiden Diakonen, welche das Priesterthuln 
des Mittelalters, zwar würdig und bedeutend, doch in verschiedenartig 
einseitiger Weise repräsentiren; dann die Gestalt des Erzbischofs in erha- 
bener Hoheit und Begeisterung und in schönem Gegensatz gegen die Un- 
schuld jener kleineren Kinder, die ihn umspielen; denn die beiden Knaben, 
beide in der offnen, freudig erregten Bewegung des Momentes, doch auch 
sie wieder charakteristisch von einander verschieden. Hierauf die gross- 
artig schöne Gestalt der Mutter, deren geheimer Zug zu den Symbolen 
des Christenthums ebenso wie ihre Liebe zu den Kindern trotz der mo- 
mentanen Erschütterung sichtbar wird; und im Gegensatz gegen sie die 
Tochter, die mit kindlicher Theilnahme nur an dem Gesiehte der von ihr 
umfassten Mutter hängt, und die Magd, deren Interesse zwischen der Sorge 
um die Herrin und der Verwunderung über das Gebahren der Kinder ge- 
theilt wird. Endlich, als äusserster Contrast. der wendische Diener, der 
sich in halb düsterm, noch heidnischem Trotze abwendet. Das Aeussere, 
was dem Kostüm und der Bezeichnung des Lokals angehört, dient wesent- 
lich zur Erhöhung der Charakteristik der Darstellung. Das Ganze ist mit 
jener Grazie behandelt, die Wach eigenthümlich ist und die sich beson- 
ders in der edeln Linienführung kund giebt. Der Totaleindruck ist har- 
monisch; ohne Zweifel haben wir das Bild zu den vorzüglichstcn Werken zu 
rechnen, die Wach geliefert hat. Die Erscheinung desselben ist ein sehr er- 
freuliches Zeugniss der höherenAnerkennung, welche der historischen Malerei 
gegenwärtig zu Theil wird, und zugleich eine gültige Bezeichnung der 
Richtung, in welcher dies Fach der Kunst zu behandeln ist. Möge dem 
Bilde in Stettin eine angemessene Stätte zu Theil werden, und möge es 
zu vielfach vermehrter Nachfolge Anlass geben. 
Im Atelier des Bildhauer Kiss sahen wir das kolossale und zum 
Bronzeguss bestimmte Thonmodell der Reiterstatue Friedrichs des Grossen, 
die er für das Denkmal, Welches von der Provinz Schlesien in Breslau 
errichtet werden soll, gefertigt hat. Das mächtige Werk, drei Fuss griis- 
ser als die bekannte Amazonengruppe von Kiss, zeigt eine AutTassung, 
die zunächst den eigentlichen Zweck des Monumentes, d. h. nicht die
	        
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