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Kriti
Erörterungen
wendischen Gebäudes. sitzt der Bischof in fcierlichem Ornat; zwei andre.
spielende Kinder neben ihm, und hinter ihm, stehend, zwei Diakonen.
Auf der Rechten ist so eben die Mutter herangetreten, die, indem ihre
Kniee brechen, von einer Tochter und einer Magd gestützt wird; zur äus-
serstcn Linken reiht sich dieser Gruppe ein wendischer Diener an. Den
Hintergrund des Gemäldes bildet der eichenbewachsene Schlossberg von
Stettin und die Aussicht in das Thal des Oderstroms. So ist die Anord-
nung des Bildes höchst klar, und der Inhalt entwickelt sich auf eine voll-
kommen verständliche Weise. Denn wenn auch, aus dem blossen An-
schauen, nicht Alles begriffen werden kann, was in dem Gemüthe der
Mutter vorgeht, wenn man namentlich auch nicht wissen kann, dass sie
schon eine heimliche Christin ist, so sehen wir doch, dass das, was ihr
die Kräfte raubt, in einer tiefen, eher freude- als schmerzvollen Bewegung
des Innern beruht, und dass diese durch jene Insignien des Christenthums
geweckt ist. Mehr als das darf aber überall. wie es scheint, von der
historischen Malerei nicht gefordert werden. Bei der einfachen Anordnung
des Bildes führt dasselbe die lebendigste Mannigfaltigkeit der Charaktere
entgegen, die sich, von der Linken zur Rechten, in beredter Stnfenfolge
entwickelt und uns einen weiten Blick über die Stadien des damaligen
Lebens verstatten. Zuerst die beiden Diakonen, welche das Priesterthuln
des Mittelalters, zwar würdig und bedeutend, doch in verschiedenartig
einseitiger Weise repräsentiren; dann die Gestalt des Erzbischofs in erha-
bener Hoheit und Begeisterung und in schönem Gegensatz gegen die Un-
schuld jener kleineren Kinder, die ihn umspielen; denn die beiden Knaben,
beide in der offnen, freudig erregten Bewegung des Momentes, doch auch
sie wieder charakteristisch von einander verschieden. Hierauf die gross-
artig schöne Gestalt der Mutter, deren geheimer Zug zu den Symbolen
des Christenthums ebenso wie ihre Liebe zu den Kindern trotz der mo-
mentanen Erschütterung sichtbar wird; und im Gegensatz gegen sie die
Tochter, die mit kindlicher Theilnahme nur an dem Gesiehte der von ihr
umfassten Mutter hängt, und die Magd, deren Interesse zwischen der Sorge
um die Herrin und der Verwunderung über das Gebahren der Kinder ge-
theilt wird. Endlich, als äusserster Contrast. der wendische Diener, der
sich in halb düsterm, noch heidnischem Trotze abwendet. Das Aeussere,
was dem Kostüm und der Bezeichnung des Lokals angehört, dient wesent-
lich zur Erhöhung der Charakteristik der Darstellung. Das Ganze ist mit
jener Grazie behandelt, die Wach eigenthümlich ist und die sich beson-
ders in der edeln Linienführung kund giebt. Der Totaleindruck ist har-
monisch; ohne Zweifel haben wir das Bild zu den vorzüglichstcn Werken zu
rechnen, die Wach geliefert hat. Die Erscheinung desselben ist ein sehr er-
freuliches Zeugniss der höherenAnerkennung, welche der historischen Malerei
gegenwärtig zu Theil wird, und zugleich eine gültige Bezeichnung der
Richtung, in welcher dies Fach der Kunst zu behandeln ist. Möge dem
Bilde in Stettin eine angemessene Stätte zu Theil werden, und möge es
zu vielfach vermehrter Nachfolge Anlass geben.
Im Atelier des Bildhauer Kiss sahen wir das kolossale und zum
Bronzeguss bestimmte Thonmodell der Reiterstatue Friedrichs des Grossen,
die er für das Denkmal, Welches von der Provinz Schlesien in Breslau
errichtet werden soll, gefertigt hat. Das mächtige Werk, drei Fuss griis-
ser als die bekannte Amazonengruppe von Kiss, zeigt eine AutTassung,
die zunächst den eigentlichen Zweck des Monumentes, d. h. nicht die