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Berichte,
Erörterungen.
Kritiken,
bemerken wollen, das Hauptwerk, die schönen Umrisse zum Faust, nicht
ganz erreichen.
Was die Art der Composition anbetrifft, die sich auf blosse Umrisse
beschränkt, so erfordert dieselbe eine eigenthümlich stylisirende Auffassung
des Gegenstandes, und zwar eine ähnliche, wie sie in dem antiken Bas-
relief oder noch mehr in der antiken Vasenmalerei durchgebildet und
neuerdings von Flaxman so glücklich angewandt ist. Der Mangel an Ver-
schiedenheit der Farbe und des Lichtes macht die einfachste Gruppirung,
das bestimmteste Hervortreten der einzelnen Figuren nöthig, wenn sonst
Klarheit und Ruhe erreicht werden soll; die Perspective reducirt sich auf
sehr geringe Mittel, so dass die darzustellende Handlung am besten nur
auf Einem Grunde (ohne Vor- und Hintergrund) angeordnet und die etwa
nöthige Landschaft u. dergl. nur möglichst skizzenhaft angedeutet wird.
Aus beiden Ursachen auch ist es hier insbesondre nöthig, dass das Ganze
der Composition als ein Festes, in sich Abgeschlossenes, nicht erst durch
die Linien der Einrahmung Begränztes, erscheine.
Mannigfach fehlt Retzsch in seinen Compositionen gegen die letzt-
genannten Punkte. Wie sehr jene aber durch Beobachtung derselben ge-
winnen, davon findet sich ein recht schlagendes Beispiel in derbibliogra-
phischen und malerischen Reise des Engländers Dibdin durch Frankreich
und Deutschland, worin eine Reihe der eben damals erschienenen Umrisse
zum Faust im Holzschnitt mitgetheilt wird; nicht aber die ganzen Blätter,
sondern meist nur die jedesmaligen Hauptgruppen, welche, da Retzsch
dieselben in der Regel sehr wohl zu ordnen weiss, durch die Entäusserung
anderweitiger Umgebung ausserordentlich gewinnen. Derselbe Fall tritt
bei den vorliegenden Umrissen ein: vielfach Störendem würde auf diese
Weise vorgebeugt werden. Was soll man z. B. sagen, wenn man jenes
schwärmende Liebespaar auf dem neunzehnten Blatte betrachtet, und der
Richtung ihrer Blicke folgend, oben in der Luft Etwas wie ein aufgehäng-
tes Hörnchen bemerkt, das aber bei näherer Untersuchung sich als halben
Mond ausweist? Wir wiederholen unser Bedauern über derartig unpassende
Darstellungen, da im Uebrigen auch dies Heft so höchst Anmuthiges und
Geistreiches enthält.
In Bezug auf die eigenthümliche Auffassung des Gedichtes zerfallen
die Darstellungen zunächst in drei verschiedene Reihen. Die erste enthält
diejenigen Momente, welche das technische Geschäft des Glockengusses in
seinen verschiedenen Stadien vorüberführen, Blätter, die meist recht tüchtig
und kräftig entworfen sind. Die zweite Reihe besteht aus allegorischen
Compositionen, welche das philosophische Element des Dichters zu ver-
bildlichen suchen, die dritte stellt die erzählenden Partieen desselben dar.
Jene sind zum Theil auf tiefsinnige Weise aufgefasst und in reinen und
klaren Formen wiedergegeben. Zuweilen nur, dünkt uns, geht der Zeich-
ner in diesen allegorischen Compositionen über die Grenzen der bildenden
Kunst hinaus, indem er Gedanken darzustellen sich bestrebt, denen die
schöne Form nicht eine nothwendige Hülle ist und welche die Form über-
haupt zu einem willkürlichen Symbol stempeln.
Als einen besondern Missgriff aber müssen wir es rügen, dass der
Künstler, bewogen durch die Bildersprache des Dichters, zur Verkörperung
jener Allegorieen sich antik idealer Gestalten bediente, während er die
Bilder der dritten Reihe im Kostüm und in den Verhältnissen des Mittel-
alters dargestellt hat, dem jene Gestalten durchaus fremd sind. Am klar-