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Uebur
die
Systeme
des Kirchßnbaues.
Einrichtung ist gewiss unantik; die Wände bilden über den unteren Säulen,
von denen sie getragen werden, eine ausser allem Verhältniss stehende
Last; vorzüglich druckend erscheint diese Last da, wo über den Säulen
nach antiker Weise ein gerades Gebälk hinläuft, von dem sie getragen
wird. S0 finden sich in der That einige altchristliche Basiliken in Rom.
Bei Weitem die Mehrzahl aber hat statt jenes Gebälkes Bögen, welche
sich von der einen Säule zur andern schwingen und dem Druck der Wand
eine elastisch emporstrebende Kraft entgegensetzen. No. 2 stellt das ln-
nere einer der vorzüglichsten altchristlichen Basiliken, der von S. Paolo
fuori le mura, ausscrhalb der Mauern Roms, dar. Der Bau dieser Kirche
gehörte der Zeit um das Jahr 400 nach Christi Geburt an; im Jahre 1823
brannte sie ab, ist aber seitdem ganz in ihrer alten Form neu gebaut
worden. Die Wände des MittelschiiTes über den Colonnadeu und unter
den Fenstern waren mit Malereiexi geschmückt; man sieht hier die Ein-
rahrnungen dargestellt.
So erscheint in der altchristlichen Basilika Neues und Altes gemischt
Das Neue verdirbt das Alte, und wo es darauf ankommt, Basilikcn für
den Zweck der christlichen Kirche zu bauen und dieselben dennoch nach
dem reinen Gesetz der Antike durchzubilden, dürfte man in der That ge-
nöthigt sein, jene christlichen Neuerungen zu verlassen und auf die wirk-
lich antike Anlage zurückzugeben, mag man diese auffassen, wie man wolle.
Doch hat auch das neue Element, das hier erscheint, sein gutes Recht; es
sind bedeutende, wirkungsreiche Motive, die in demselben hervortreten.
Durch die Beseitigung der Gallerieen erhält der Gesammtraum des Innern
eine grössere Würde: das Mittelschiff scheint erhabner, indem sich dem-
selben zu den Seiten niedrigere Seitenschiiie anschliessen. Die Anwendung
der Bögen über den Säulen giebt den Eindruck einer regeren Bewegung der
l(räfle7 sowie ein harmonisches Verhältniss zu der grossartigen Form des
Bogens der Altaruische, die durchweg mit einer Halbkuppel überwölbt ist.
Doch bleibt die Last der Oberwände über diesen Arkaden immer drückcnd.
Auch die flache Bedeckung der Räume, namentlich die des lllittelschilies
erscheint, dem bewegten Spiele der Arkaden gegenüber, kalt und starr.
(Ohne Zweifel bestand die Decke der altchristlichen Basiliken ursprünglich
aus einem flachen Täfelwerk. Gegenwärtig sieht man statt dessen bei vielen
italienischen ßttsilikeü wie es in S. Paolo bei Rom der Fall war und
wie es die Ansicht No. 2 darstellt das oifne Sparrwerk, das jedoch
durchweg aus Restaurationen des späteren Mittelalters herrührt. Es ist oft
auf eine interessante Weise künstlerisch verziert, kann aber natürlich im-
mer nur einen dekorativen Eindruck nicht den der gemessenen archi-
tektonischen Ruhe hervorbringen.) Wer die Gültigkeit der neuen Ele-
mente, die bei der altchristlichen Basilika hervortreten. ins Auge fasst,
kann dieselbe nur als die Ausgangspunkte für eine neue architektonische
Entwickelung betrachten.
Der Basilikenbau blieb eine Reihe von Jahrhunderten in der christ-
lichen Welt vorherrschend. Er wurde nach allen Ländern umhergetragen.
Besonders in Deutschland gewann er einen Boden, auf dem ihm vielfach
Pflege angediehcn ist. Bis ins dreizehnte Jahrhundert wurden hier Basi-
liken in grosser Menge gebaut, und es haben sich zahlreiche Beispiele
dieser Bauweise bei uns erhalten; freilich nur selten so, dass man die
ursprüngliche Anlage noch in ihrer ganzen Reinheit erblickt; sie sind
zumeist mehr oder weniger verbaut oder stehen in einzelnen Fällen als