Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

384 
Berichte 
Kritiken. 
und 
nicht zu einer klaren Anschauung seiner eigentlichen Bedeutung überzn- 
gehen im Stande war, dass der Zeichnenunterricht somit nicht mit genü- 
gender Consequenz in den Plan des übrigen Schulunterrichtes verflochten. 
dass er mehr nur als eine Nebensache behandelt, dass er mit grösserei- 
Willkür und ohne sonderliche Rücksicht auf die in ihm selbst liegende 
Consequenz eingerichtet wurde. Und doch ist es nöthig, gerade auf diese 
Punkte mit grösster Bestimmtheit einzugehen, wenn anders  ganz abge- 
sehen von den praktischen Fördernissen, zu denen dieser Unterricht führt. 
 Hand, Auge, Sinn, Phantasie und Geist denjenigen Gewinn, zu dessen 
Entwickelung gerade er so mannigfache und so fruchtbare Gelegenheit 
giebt, erlangen sollen. 
Die in der Ueberschrift genannte Broehüre behandelt diesen Gegen- 
stand, und zwar in einer Weise, dass sie unbedenklich auf die lebendigste 
Beachtung Anspruch hat. Der Verfasser hat den Gegenstand noch enger 
eingeschlossen, indem er sein Augenmerk, wie der Titel besagt, zunächst 
nur auf den Zeichnenuntcrricht in 'l'öchterschulen richtet. Diese engere 
Betrachtung ist insofern nicht ohne Wichtigkeit, als jene Uebelstände und 
ihre Folgen hier ganz besonders in Betracht kommen; der Verfasser weist 
es nach, wie eben auch hier ohne gründlichen Ernst und ohne durchgrei- 
fende Consequenz keine Resultate zu erreichen sind. In Bezug auf diese 
Resultate aber legt er durchweg, und gewiss mit Recht, den höchsten 
Maassstab an: l-landbildung, Angenbildung, Urtheilsbildung, Phantasiebil- 
dung, Willensbildung  dies ist es, was er als die eigentlichen Früchte 
des Unterrichts erreicht sehen will. Von diesem Standpunkte aus ent- 
wickelt er die Methode, die ihm, durch mehrjährige Erfahrung verbürgt, 
als die vorzügliehst folgenreiche erscheint; es ist diese Methode aber iticht 
eben eine völlig neue Erfindung, sondern es ist im Wesentlichen nur die 
Anwendung der besten, schon hier und dort ausgesprochenen Principien 
auf den bestimmten Fall. Alles was er in diesem Betracht sagt, hat eine 
durchaus praktische Fassung, mit fester Rücksicht auf den Organismus 
der Schule, auf das Wesen und die Bestimmung der 'l'öchterschnle, auf 
die Eigenthümlichkeiten der weiblichen Jugend, auf das Verhältniss des 
Lehrers zu dieser, u. s. w. So unverrüekt der Verfasser seinen Standpunkt 
im Auge behält, so verschmäht er doch nicht, über die kleinsten und an- 
scheinend unbedeuteildsten Einzelheiten seines Gegenstandes sich auszu- 
sprechen, indem gerade darin die Realisation seines Planes beruht. 
Wir glauben, dass diese Schrift Lehrern und Lehrerinnen aufs Auge- 
legentlichste zu empfehlen ist, wir glauben aber auch, dass sie für ungleich 
ausgedehntere Kreise dasselbe Interesse haben wird. Die Weise, wie jene 
höhere Auffassung und die praktische Erfahrung hier einander ergänzen, 
macht die Schrift ungemein lehrreich. Es tritt uns hier eine eigenthürm 
lich liebenswürdige Beobachtung der Kinderwelt, ihres Sinncns und Den- 
kens, entgegen; daran knüpft der Verfasser seine Anweisungen, wie das 
kindliche Gemüth von früh an zu Ernst und Stetigkeit zu gewöhnen, wie 
es zur künstlerischen Auffassung anzuleiten und Schritt vor Schritt in der 
eröffneten Bahn weiter zu führen sei. Eine innigere Vermählung der 
Kunst mit dem Leben, als solche in den meisten Fällen seither stattge- 
funden hat, bietet sich dem Leser als endliche Frucht dieser Bobach- 
tungen und Bestrebungen dar.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.