Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

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Berichte und 
Kritiken. 
Kampf ist, da ist Leben, da ist Process der Entwickelung. Die Kunstge- 
schichte unsrer Tage ist im Begriff, die Stufe. auf der sie sich seit etwa 
drei Lustren bewegt hat, zu verlassen und eine neue Stufe zu betreten. 
Mögen ihr die äusseren Verhältnisse fördersam entgegenkommen! 
Einstweilen sind die beiden belgischen Riesenbilder auf Befehl des 
Königs noch besonders in der Rotunde des Museums aufgestellt worden. 
Die Ausstellungssäle der Akademie sind auf so kolossale Dimensionen 
nicht wohl eingerichtet. Zwar hatte man Alles gethan, um ein günstiges 
Licht und eine gute Uebersicht der Darstellungen zu WVege zu bringen; 
auch hatte man in der 'l'hat, nach Aufhebung einiger Missstände, eine 
vortreffliche Beleuchtung möglich gemacht; indess war ein freierer Stand- 
punkt noch wüuschenswerth geblieben. Jetzt fällt das Licht etwas 
scharf von oben ein, durch die Mitte der Kuppel; dafür steht dem Be- 
schauer nunmehr der mannigfaltigste Wechsel des Standpunktes frei. Und 
wirklich trägt diese neue Aufstellung nicht wenig dazu bei, um die gross- 
artige historische Fülle und Energie, welche in beiden Bildern, bei aller 
Verschiedenartigkeit der Behandlung, durchgeht, vollständig auffassen zu 
können. 
Eine interessante Ausstellung, leider nur von ein Paar Tagen, hatten 
wir kürzlich im Lagerhause, im Atelier des Professor Rauch. Dort war 
uns die Anschauung des Thonmodells zu dem Denkmale verstattet, wel- 
ches Rauch im Auftrage des Königs für das Mausoleum zu Charlottenburg 
arbeitet. In diesem Mausoleum, wo die Königin Louise bestattet ist und 
wo sich jenes allbekannte Denkmal der Königin befindet, mit dem vor 
nunmehr dreissig Jahren Rauch's höherer Künstlerruhm begann, ist be- 
kenntlich auch König Friedrich Wilhelm IlI., zur Seite seiner unvergess- 
lichen Gemahlin, bestattet worden, und so soll dort auch sein Denkmal, 
dem ihrigen zur Seite, aufgestellt werden. Die Anordnung ist jenem ganz 
ähnlich und im höchsten Grade einfach. Etwas über lebensgross, ruht die 
Gestalt des entschlafenen Herrschers gerade ausgestreckt auf dem Lager. 
Er trägt die Generalsuniform, deren lnsignien aber nur an Hals und Brust 
sichtbar werden. Ausserdem ist er in den einfachen Kriegsmantel gehüllt, 
in dem wir ihn bei seinen Lebzeiten so häufig gesehen haben, in dem 
seine Leiche auch auf dem Todtenbette ausgestellt war, und der zugleich, 
in schlichter und doch so beredter Symbolik, den ausharrenden Kämpfer 
für die Freiheit und für den Ruhm seines Staates bezeichnet. Das etwas 
gesenkte Haupt ist im kräftigsten Mannesalter aufgefasst; ein milder, Ver- 
söhnungsvoller Ernst durchleuchtet auf eine wundersame Weise diese 
edlen und klaren Zügc. Das Ganze ist, wie es aus der Aufgabe natur- 
gemäss hervorgehen musste, durchaus schlicht und einfach entworfen, und 
dennoch ist in dem ruhigen Gange der Linien ein eiguer feierlicher Wohl- 
laut, der das Gemüth des Beschauers auf die wohlthätigste Weise berührt. 
Dabei zeigt sich in der Durchbildung des Stofflichen, wie überall in Rauclfs 
neueren Werken, jene hohe Meisterschaft, durch welche allein der dargestellte 
Gegenstand uns in vollkommen individueller Freiheit und Lebendigkeit 
gegenübertritt. Es gewährte einen eigenthümlich erhebenden Eindruck, 
zu beobachten, wie jeder der Eintretenden im Anschauen des Denkmales 
sofort von einer ernsten, gehaltenen Stimmung ergriffen wurde; und nur 
mit leiser Stimme, von einer geheimen Ehrfurcht gefesselt, theilte man 
Seine Bemerkungen über das schöne Werk einander mit. 
Der Bildhauer J. Gebhard hat kürzlich vom Könige den Auftrag
	        
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