Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

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teressc und der Vergleich der verschiedenartigen Richtungen, die hier als 
solche schärfer hervortreten, auch seinen eigenthümlichen Reiz. 
Die vorliegenden Blätter bieten uns bereits viel Interessantes und Be- 
deutendes. Vor Allem heben wir unter ihnen zunächst zwei Blätter von 
A. Schrödter hervor. Wie immer, so erscheint Schrödter auch hier 
durchaus meisterhaft in jener Stylistik, welche zu Darstellungen solcher 
Art erfordert wird, und welche allein eine gemessene Verbindung zwischen 
Druckworten und künstlerischer Umfassung derselben hervorbringen kann; 
die arabeskenhafte Anordnung der Composition, die ruhige, fast plastische 
Behandlung, die nirgend in die Gesetze des eigentlich Malerischen über- 
streift, die freie Sicherheit in der Führung der Nadel, alles dies ist hier 
gleich gediegen. Die höhere Weihe aber erhalten die Blätter durch jenen 
grossartig klassischen Humor, durch den Schrödtcr eine so unvergleichliche 
Stellung in der gesammten Geschichte der Kunst einnimmt. Das erste 
Blatt hat Claudius wohlbekanntcs Rheinweinlied ("Bekränzt mit Laub etcft) 
zum Gegcnstande; ein grosser Römer, mit Eichenlaub bekränzt und eine 
Rose in seinen Fluten schwimmend, erscheint oben in der Mitte; die Ver- 
zierungen seines Fusses gelten in Ranken aus, aus denen sich Rebenge- 
winde entwickeln; dazwischen erblickt man fröhlich heitre Gestalten, den 
kräftigsten und innigsten Lebensinteresscn zugethan; unten sind die Phi- 
lister dargestellt: links ein grämlicher Polyhistor (oder etwa ein Recen- 
sent?), der bei seinen nthüringischen" Flaschen nicht singen kann; rechts 
der "lange Herr Philister", der „nur Wind macht", wie ein reisender 
Englishman gekleidet, einen Blasebalg unter dem Arme und zu den fröh- 
lichen Gestalten über ihm hinauflorgnettirend. Das andre Schrödtcrsche 
Blatt behandelt ein kerniges Trinklicd aus jener guten alten Zeit des hei- 
ligen römischen Reiches, ehe der dreissigjährige Krieg all seine verborge- 
nen Schäden unheilbar aufgerissen hatte; hier baut sich aus den Ranken, 
die die Verse einschliessen, eine zierlich geschnitzte Holzlaube empor, 
und in dieser erblickt man eine Gesellschaft stattlicher Gesellen um einen 
Tisch mit Krügen und Gläsern, die das schöne Lied einträchtiglich singen. 
 Unter zwei Blättern von W. Camphausen zeichnet sich besonders 
das eine, das des „Reiters Morgenlied" („Morgenr0th, leuchtest mir zum 
frühen Todtt etc.) zum Inhalt hat, durch treftliches Arrangement der 
Zeichnung und durch geistvoll gediegene Behandlung aus; der Maler 
hat zu den Darstellungen dieses Blattes, sehr passend zu dem Charakter 
des Liedes , das Kostüm des dreissigjährigen Krieges gewählt.  Andre 
interessante Darstellungen sind die von J. Fay (der Blumen Rache, von 
Freiligrath), die nur das elfenhaft Leichte des Gedichtes nicht genügend 
getroffen hat, H. Plüddemann (der nächtliche Ritter, von Uhland), E, 
Ebers, H. Ritter u. s. w. E. Steinbrück hat zu dem Kreuzfahrer- 
liede aus Novalis' Otterdingen eine Zeichnung geliefert, die ungemein 
anmuthig empfunden ist, doch in der künstlerischen Behandlung nicht ge- 
nügend erscheint. C Clasen (das Ilimmelsmahl, von Pocci) bewegt sich 
mit Glück und Würde in derjenigen strengeren Darstellungsweise, die bei 
religiösen Gegenständen angewandt zu werden pflegt; A. Mülller dagegen 
(die Passionsblume, von v. Groote) erscheint ganz in jene befangene Sty- 
listik der Italiener des vierzehnten Jahrhunderts, bei deren Betrachtung 
man nicht immer die Begrilfe des Alters und der religiösen Weihe zu 
unterscheiden scheint. versenkt;  es macht in der That einen eigenthüm- 
liehen Eindruck, immer wieder eine längst verklungene Richtung solcher
	        
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