Ueber
Ferdinar
Kubell u:
seine
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Einzelne unter den Blättern seiner dritten Periode enthalten zwar Com-
positionen, die wiederum auf eine gewisse (irossartigkeit des Eindfufktls
hinzuarbeiten scheinen, aber auch hier ist die Fassung so, dass sie den-
noch dem einfach schlichten Verkehr des Lebens und Daseins nahe gerückt
werden. S0 behalten z. B. seine grösseren Darstellungen von kVasserfätllgn
durch den malerischen Bau der Holzbrücken, die er hier über das Wasser
führt, ganz das Trauliche, menschlich Gemüthliche, was auch seine
schlichtesten Scenen so ansprechend macht.
Ferner ist zu bemerken, und hierin lH-lälellt wieder ein sehr wesent-
licher Vorzug seiner Blätter, dass sie durchweg ein vollcndetes, in sich
besehlossenes künstlerisches Ganzes ausmachen. Wie einfach die 566119
der Natur oder des in ihr vorgehenden menschlichen Verkehrs, die 6!
uns verführt, auch sein mag, überall hat sie ein bestimmt charakteristi-
SßhßS Gepräge, überall Spricht sich in ihr eine entschiedene Stimmung
aus, überall ist sie vollkommen ausgerundet und beendet. Die Linien-
führung erscheint durchweg harmonisch, Licht und Schatten und Alles.
was dem Elemente des I-lelldunkels angehört, durchweg in gemessener
Haltung. Alles in seinen Blättern ist freie und wahre kilnstlerische Con-
ception. Er hat fast nie eine sogenannte Vedute gefertigt, fast nie eine
vorhandene Sceue der Natur für seinen Bedarf Ohne Weiteres nachge-
SChrieben- Jav er ging in dieser freien Auffassung der Natur so Weit, dass
er, seit er von seiner Pariser Reise zurückgekehrt war, kaum noch Studien
nach der Natur machte; nur Einzelheiten, deren er etwa für die Vor-
gründe der Bilder bedurfte, pflegte er seit dieser Zeit nach der Natur zu
zeichnen; im Uebrigen war er nur bemüht, ihre Erscheinungen mit dem Auge
aufzufassen und unmittelbar dem Gedächtnisse einzuprägen, indem er gern
äusserte, dass man mit jenen Studien doch nie der Wirklichkeit nahe
komme und dass sie nur als ein Spott auf das Vermögen der Kunst er-
schienen. Gleichwohl spricht sich auch im Einzelnen seiner Darstellungen
die feinste Beobachtungsgabe aus, und nicht minder ein sehr glücklicher
Sinn, das Einzelne in seiner Mannigfaltigkeit und Verschiedenheit mit
den beschränkten Mitteln der Radirnadel charakteristisch anzudeuten. Alles
dieses hat unsern Künstler zu einer feinen stylistischen Behandlung der
Landschaft geführt, wie solche bei der künstlerischen Darstellung über-
haupt, besonders aber bei der ebengenannten beschränktereu Darstellungs-
weise nöthig ist.
Hiebei darf indess nicht verschwiegen werden, dass Kobell in dieser
Stylistik zuweilen um einen Schritt zu weit geht, dass das Streben nach
Gemessenheit seiner Darstellung zuweilen eine, wenn auch nur leise An-
deutung von conventioneller Manier giebt. Dies zeigt sich besonders da,
wo er sich bemüht, das Laub der Bäume in grösseren Massen zusammen-
zuhalten und solchergestalt eine mehr plastische Wirkung hervorzubringen.
Ohne Zweifel erklärt sich dieser Uebclstand denn so müssen wir es
allerdings nennen zunächst durch die eben angeführte Weise des Stu-
,diums, welche er in der langen Zeit seiner späteren künstlerischen 'l'hätig-
keit befolgte. Wie lebendig er das unmittelbare Vorbild der Natur wie-
derzugeben vermochte, ergiebt sich, um nur Ein Beispiel anzuführen, aus
dem schönen Blatte von seiner Hand, welches die Inschrift führt: „lm
Neckarauer Wald. 1779. Ferd. Kobell." Dies Blatt erscheint, ausnahms-
weise, als ein blosses Studium, es hat auch nicht die volle Beschlossen-
heit, die sonst seinen Arbeiten eigen zu sein pflegt; dafür aber tritt hier
llugler, Kleine Schiriflen. lll. 24