Volltext: Kleine Schriften über neuere Kunst und deren Angelegenheiten (Bd. 3)

Ferdinand 
Ueber 
Kubell 
und 
seine 
Radirungen. 
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Haltung hinzuarhciten versteht. U. s. w. Eine wesentliche Ausnahme 
macht eigentlich nur Aldert van Everdingen, der in seinen anziehen- 
den Blättern von vornherein mehr die Zeichnung in ihrer Selbständigkeit 
als jene Andeutung einer malerischen Wirkung im Sinne hat, und der in 
der zierlichen Bestimmtheit der Umrisslinien, in der plastischen Modelli- 
rung an Fels und Bäumen vorzüglich ausgezeichnet ist. In diesen Elemen- 
ten der Behandlung sind Everdingems Blätter als die wichtigsten Vorbil- 
der, welche Kobell vorlagen, zu nennen; aber auch sie wiederum enthalten 
häufig mehr nur die Angabe der Composition, als dass in ihnen überall 
die Mittel, welche schon die Zeichnung an sich gewährt, und besonders 
die ganze Wirkung des Helldunkels, zur vollkommenen Erscheinung kämen. 
Doch nicht bloss in der gründlicheren Feststellung der Technik beruht 
die Bedeutung von KobelPs Radirungen; sie sind zugleich die schönsten 
Zeugnisse für das neue sinnvolle Eingehen auf das stille Wirken der 
Natur in ihrer schlichten Reinheit, welches zu jener Zeit in Deutschland 
erwachte, welches die Fesseln des französischen Geschmackes, der selbst 
in Wiese und Wald seine knechtisehe Unnatur hinausgetragen hatte, von 
sich warf und den neuen Aufschwung der Kunst einleitete, dessen wir 
uns heutiges Tages erfreuen. Wir haben Kobell mit seinen Radirungeu 
als einen der glücklichsten Vorkämpfer für solche Bestrebungen anzuer- 
kennen; seine Wirksamkeit musste um so grösser sein, als das scheinbar 
kleine Fach, welches seine vorzüglichste Thätigkeit ausmachte, die zahl- 
reichste Verbreitung seiner Leistungen gestattete. Man hat es beklagt, dass 
Kobell, ausser jener Reise nach Paris, die deutsche Heimat nicht verlassen, 
dass er namentlich nicht in dem glänzenden Italien seine künstlerischen 
Studien gemacht habe; man meint, sein Talent würde sich dann in grösse- 
rem Beichthum entfaltet haben; aber es dürfte sehr in Frage zu stellen 
sein, 0b eine grössere Mannigfaltigkeit der Erscheinungen nicht vielleicht 
seinen Blick verwirrt, nicht die Reinheit, die keuschc Naivetät der Auf- 
fassung, die in seinen Blättern vor Allem so anziehend wirkt, getrübt haben 
möchte. Auch bot ihm schon seine nächste Heimat des Schönen und Au- 
muthigen gar viel. Ja, es ist fast auffallend, dass er die vorzüglich gross- 
artigen, die vorzüglich malerischen Bilder, die sich ihm bei den Spazier- 
gängen und bei kleinen Studienreisen in der Heimat selbst darbieten muss- 
ten, keineswegs so benutzt hat, wie es unzweifelhaft ein Landschaftsmaler 
des heutigen Tages thun würde. Wir finden in seinen Radirungen Nichts, 
was an die wundersame Romantik des Heidelberger Schlosses, das in sei- 
ner Zerstörung einen so mächtig phantastischen Reiz ausübt, erinnerte; 
Nichts, was etwa dem zweiten Glanzpunkte des Neckarthales, der Gegend 
von Neckarsteinach, entnommen wäre; Nichts, was auf die so ganz eigen- 
thümlich malerischen Theile des Hardtgebirges, namentlich auf die Umge- 
bungen von Anwciler, oder was auf die weiter nördlich belegenen roman- 
tischen Theile des Rheinthales hindeutete. Im Gegentheil zeigt sich bei 
Kobell, bis auf einzelne Ausnahmen, die durch einen, hieven ganz ver- 
schiedenartigen Einfluss hervorgebracht sind und von denen weiter unten 
die Rede sein wird, eine sehr entschiedene Vorliebe für die einfachste 
landschaftliche Situation. Von der sogenannten heroischen oder allgemei- 
ner, von der idealischen Landschaft finden wir nur vorübergehende An- 
deutungen in seinen Blättern; es ist die Natur in ihrer grössten Einfalt 
und Stille, die Verbindung derselben mit dem schlichtesten menschlichen 
Verkehr, was er am häufigsten und mit vorzüglichstem Glückc darstellt
	        
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