366
Ueber Ferdi
land
Kobell
und
Radirungm
zu erwärmen. Und mehr als wahrscheinlich ist es. dass auf eine solche
Richtung sein irngeregelter Bildungsgang und die, immerhin späte Zeit, in
welcher er sich erst ausschliesslich der Kunst widmen durfte, den wesent-
lichsten Einfluss hatten. Denn so hoch auch die Kraft des Genies zu ver-
ehren ist, so bedarf dasselbe dennoch, um vollendet in die Erscheinung
treten zu können, einer frühen und folgerechten Gewöhnung, welche ihm
die äussern Mittel der Darstellung zu einer leicht fliessenden Sprache
macht; wir sehen es an allen, auch den bedeutendsten Künstlern, die erst
im vorgerückten Alter in ihren Beruf eintraten, dass ihren Werken mehr
oder weniger die Andeutung einer skizzenhaften Behandlungsweise bleibt.
Um so mehr aber werden wir den richtigen Tact anerkennen müssen, der
Kobell vorzugsweise in einem Fache wirksam sein liess, welches die An-
sprüche, denen zu genügen er möglicherweise nicht im Stande war, fern-
hielt und, obschon in enger gezogenen Grenzen, die anmuthigste Entwicke-
lung seiner eigenthürnlichen Richtung und seines eigenthümlichen Talentes
gestattete. Wir werden annehmen müssen, dass sein Aufenthalt in Paris
und das dortige, eben angeführte Verhältniss ihm das Wesen seines künst-
lerischen Berufs nur zum klareren Bewusstsein gebracht habe.
Wie indess diese Verhältnisse zu betrachten sind, jedenfalls gehören
KobelVs Blätter zu den bedeutendsten Badirungen im landschaftlichen
Fache. Er schliesst sich mit ihnen, obwohl mehr als ein halbes Jahrhun-
dert dazwischen liegt, unmittelbar den ähnlichen Leistungen an, welche
die holländischen Meister uns hinterlassen haben; er ist der erste, der
unter den Deutschen mit umfassenden Arbeiten solcher Art auftrat. Die
glücklicheren Arbeiten der Holländer reichen bis in den Beginn des acht-
zehnten Jahrhunderts herab; unter den Deutschen zählt Kobell nur sehr
wenig Vorgänger, die auf eine höhere Bedeutung Anspruch haben. Die
beiden Scheits, Matthias und Andreas, um den Schluss des sieh-
zehnten Jahrhunderts thätig, sind als solche noch nicht anzuführen;
Joachim Franz Beich (1665-1748) und Peter von Bemmel (1689-
1754) haben mehrere geistreiche Blätter hinterlassen, die jedoch bei die-
sem das Gepräge eines nur skizzenhaften Entwurfs tragen. bei jenem nicht
frei von conventioneller Behandlung sind; unter den Blättern eines nähe-
ren Zeitgenossen von F. Kobell, des Franz Edmund Weirotter (1730
-1773), finden sich auch nur wenige, die in edler Radirmanier durchge-
führt sind. U. dgl. m. Ja, wir müssen hinzufügen, dass Kobell überhaupt
als derjenige zu bezeichnen ist, der die landschaftliche Radirung, was die
äusseren Elemente der Darstellung anbetrifft, zuerst auf umfassende WVcise
zu einer eigentlich vollendeten Durchbildung gebracht hat. Wenigstens
finden sich bei den grossen holländischen Landschaftern des siebzehnten
Jahrhunderts nur einzelne Blätter, in denen eine solche Behandlung er-
strebt ist, die somit eine eigentlich künstlerische Beschlossenheit haben,
während bei weitem die Mehrzahl durchgehend nur auf die Andeutung
einer malerischen Wirkung hinarbeitet und sich mehr nur als Entwurf
zu einem Gemälde, denn als ein selbständiges und für sich gültiges Ganze
zu erkennen giebt. So ist es z. B. bei den meisten der im Uebrigen so
geistvollen Blätter des Anton Waterloo der Fall. von denen nur einige
wenige eine wirklich plastische Durchbildung zeigen: so noch ungleich
mehr bei den wenigen schönen Entwürfen, die von Jakob Ruisdael
radirt sind; so selbst bei den Blättern von Hermann Swanevelt, ob-
gleich dieser mit vorzüglichem Glück auf Massenwirkung und allgemeine