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Ferdinand Kobell, bis dahin ohne alle künstlerische Unterweisung,
besuchte nunmehr Zunächst die Kunstakademie von Mannheim, welche
damals unter der Direction des berühmten Bildhauers Peter Verschaf-
felt stand. Er durfte seine Träume verwirklichen, sich frei und rüekhalt-
los dem Berufe hingeben, für welchen ihn die Natur bestimmt hatte, durfte
alles das nachholen, was bisher, bei dem ungeregelten Gange seiner künst-
lerischen Beschäftigungen, versäumt sein mochte. Doch sollte er auch
jetzt noch den wichtigsten Theil seiner Ausbildung dem eignen Talente
zu verdanken haben. Er fand in Mannheim keinen Landsohaftsmaler, der
ihn in die Eigenthümlichkeiten dieses besonderen Faches der Kunst hätte
einführen können. Er blieb in diesem Bezüge, ausser auf die Natur, m"
auf die Vorbilder älterer Meister, welche die Gallerie von Mannheim ent-
hielt, angewiesen; doch stand ihm bei dem Studium dieser Werke der
Rath seines Freundes, des Gallerie-Inspektors Franz Pichler, hilfreich
zur Seite, indem der letztere, zwar selbst kein ausübender Künstler, dem
jungen Landschaftsmaler all seine Bemerkungen über das Aesthetisehe und
Technische der Vorbilder gern mittheilte. Als Beschluss der Studienzeit
ist eine Reise nach Paris zu nennen, welche Kobell als Begleiter des kur-
fürstliohen Gesandten am französischen Hofe, des Grafen von Siekingen,
im Jahre 1768 antrat. Er verweilte in Paris achtzehn Monate.
Nach seiner Rückkehr ward Kobell zum kurfürstlichen Hofmaler und
zum Professor an der Mannheimer Akademie ernannt. Von dieser Zeit ab
lebte er still in seiner Vaterstadt, eifrig thätig in seinem schönen Berufe,
allgemein geschätzt wegen seiner Arbeiten, von den ihm Näherstehenden
wegen seiner liebenswürdigen Persönlichkeit hoch verehrt. Doch sah er
sich im Jahre 1793 durch die Unruhen des Kriegs veranlasst, Mannheim
zu verlassen; er ging nach München, wo er, nach dem Tode des Direktors
der Mannheimer Gallerie, J. F. von Schlichten. dessen Stelle erhielt. Er
starb am 1. Februar 1799.
Ein sehr grosser und wohl der bedeutendste Theil von Kobelbs künst-
lerischer Thätigkeit bestand in der Anfertigung radirter Blätter; man zählt
deren 242, theils von kleinerem, theils von grösserem Format. Neben eini-
gen Reihefolgen mit figürlichen Darstellungen enthalten sie fast sämmtlich
Landschaften. Die Daten, mit denen sie versehen sind, reichen vom Jahre
1769 bis zum Jahre 1796. Man sagt, dass die freundschaftliche Verbin-
dung, welche Kobell in Paris mit dem berühmten Kupferstecher Johann
Georg Wille und mit dem, besonders im Fache der Aetzkunst namhaften
Philipp Parizeau eingegangen war, ihn vorzugsweise dazu veranlasst
habe, sich mehr der Radirnadel als des Pinsels zu bedienen. Ohne Zwei-
fel wird diese Angabe begründet sein, und gewiss muss ein solches Ver-
hältniss für ihn sehr vortheilhaft gewesen sein, sofern es sich um die gründ-
liche Aneignung der gesammten Technik des Radirens und Aetzens han-
delt. Dennoch müssen wir annehmen, dass ein tieferer Grund vorhanden
war, der Kobell mehr zu der bloss zeiehnenden Darstellung als zu der-
jenigen führte, welche sich des umfassenderen künstlerischen Mittels der
Farbe bedient. Es ist in der That vorauszusetzen, dass sein Talent eine
gewisse Beschränkung hatte, dass es ihn mehr dahin trieb, die landschaft-
liehe Composition als solche, die Umzeichnung ihrer Formen, die Licht-
und Schattenwirkung, sowie das Spiel des Helldunkels, mit einem Worte:
die allgemeinen Grundzüge der künstlerischen Darstellung aufzufassen und
wiederzugeben, als dieselbe zugleich auch zum weichen, quellenden Leben