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Karl Friedrich
Schiukel.
In unmittelbarem Zusammenhange mit den Malereien, wie die bisher
besprochenen, stehen sodann die Entwürfe zu den Theaterdecorationen, die
zu den ersten öffentlichen Arbeiten von höher künstlerischer Bedeutung,
welche Schinkel zu Theil wurden, gehören. Ueber diese habe ich bereits
im Vorigen gesprochen. Doch muss ich hier noch einmal hinzufügen, dass
die herausgegebenen Blätter keineswegs geeignet sind, um zur genügenden
Würdigung des glänzenden Beichthums der Phantasie, welchen Schinkel
in diesen Arbeiten kund gegeben, zu dienen; und dass man aus denselben
noch weniger auf die grossartig freie künstlerische Behandlung, welche in
den erhaltenen sehr zahlreichen Original-Entwürfen seiner Hand ersichtlich
wird, schliessen kann. In der That zeigen die letzteren durchweg nicht
bloss eine Genialität der Composition, sondern zugleich eine so lebenvolle
Wahrheit und eine so höchst poesiereiche Durchführung der Lichteffekte,
dass sie unbedenklich zu den merkwürdigsten und eigenthümlichsten Lei-
stungen, welche die Kunst in solcher Art jemals hervorgebracht hat, gezählt
werden müssen.
Ich kann nicht schliessen, ohne aufs Neue den Wunsch auszusprechen,
dass eine möglichst umfassende Herausgabe von SchinkePs Werken in den
Fächern der bildenden Kunst wozu ein so viel reichlicheres Material
vorliegt, als man auf den ersten Augenblick vermuthen möchte veran-
staltet werde. Noch wichtiger indess scheint es mir, wenn man. soviel
es die Verhältnisse irgend zulassen, Bedacht darauf nähme, seine Original-
Arbeiten zu sammeln und sie solcher Gestalt als ein reiches Ganze der
Nachwelt zu erhalten. Noch dürfte der Zeitpunkt zu diesem Unternehmen
sehr geeignet sein; in einigen Jahrzehnten möchte Vieles sich hier und
dorthin zerstreut haben und der Wunsch, die Werke des grossen Meisters
zu einer umfassenden Uebersicht zusammenzustellen, bereits unausführbar
geworden sein
1) Der oben ausgesprochene Wunsch ist durch die Gründung des Schinkell
sehen Museums (im Gebäude der Bauschule zu Berlin) auf umfassendste
Weise in Erfüllung gegangen. Hier ist eine ansehnliche Fülle seiner Malereien
historische Uompositionen verschiedner Art, Landschaften, Bilder zu Theater-
dekorationen u. s. w. vorhanden; hier sind, in überaus grosser Menge, seine
Entwürfe für bauliche, auch für Iigürliche Compositionen, seine Reiseskizzen und
dergl. zusammengeordnet und der Theilnahme des Kunstfreundes, dem Studium
des Kunstjüngers freigestellt. Der Reichthum dieses in seiner Art so ganz ein-
zigen Talentes entfaltet sich hier dem Beschauer noch vielseitiger und eindring-
licher, als es sich aus dem Studium seiner herausgegebenen Werke entnehmen
lässt. Seine classische Reinheit, seine nie versiegende Phantasie sprechen hier
noch beredter, noch inniger zu uns; aber im Anschauen dieser Welt lieb-
lichster und sinnigster Wunder wird es uns jetzt zugleich klar, dass eben doch
ein idealistischer Zug durch sie hindurchgeht, welcher die Befriedigung einer
entschiedenen Existenz nicht immer in sich trägt. Wir erkennen es jetzt, was
es war, das uns vor Jahren, wenn wir uns in den Geist des hohen Meisters
verloren hatten, das Gefühl sehnsuchtsvoller Wehmuth zurückliess.