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Kur]
Friedrich Schiukel.
ölfentlichen Gebäudes, in welchem die Bank ist, und worauf sich die berühmte
astronomische Uhr befindet. Zwei Merkwürdigkeiten, welche ehedem die Auf-
merksamkeit der Fremden hier fesselten, kann Venedig jetzt nur noch im Bilde
zeigen, nämlich die Marmorsäule mit dem darauf befindlichen antiken bronzenen
Löwen, dem Wappen Venedigs, ehemals am Dogenpaluste aufgestellt, und vier
bronzene, von den Venetianern bei der Eroberung von Konstantinopel erbeutete
Pferde, welche an der alten Markuskirche angebracht waren. Beide sehen wir
zwar noch hier, sie sind aber jetzt nach Paris gebracht. Nur eine Marmorsäule
ziert jetzt noch diesen Theil des Markusplatzes, nämlich die, auf welcher der
Schutzheilige von Venedig, der heilige Markus. ruht.
Ein Gegenstück zu dem heiter-n, freundlichen Venedig giebt der Anblick der
grotesken, schauerlichen
Meeresgrotten
bei
Sorrento,
einer bedeutenden Stadt am grossen Golfo von Neapel. Die Küste des Busens
von Neapel selbst ist hier oft gespalten und bildet die mannigfachsten Höhlen.
Mächtige Revolutionen in der Natur, wodurch so viele wunderbare Erscheinun-
gen bewirkt wurden, schlenderten wahrscheinlich von dieser Küste eine zahl-
lose Masse ungeheurer Felsenblöcke in das Meer, wodurch die groteskesteu und
ebenteuerlichsten Gestalten entstanden, und welche zu gleicher Zeit den räube-
rischen Barbaresken von Tunis, Algier und Tripolis, die unaufhörlich die Küsten
des Golfes urnschwärmen, zu sichern Schlupfwinkeln dienen. Das Schauerlitrhe
dieser Gegend wird durch das fürchterliche Getöse der im Sturm an den Felsen
sich brechenden Meereswogen vermehrt.
Eine solche Grotte sehen wir auf diesem Gemälde. Es ist Mitternacht,
dichte Finsterniss würde uns den Anblick dieser Schauder erregenden Massen
ganz verbergen, erleuchtete nicht das Feuer, an welchem mehrere Barbaresken
auf einer Barke ihre Nahrung sich bereiten und den Anbruch des Tages, mit
ihm den längst erwünschten Raub erwarten, einen Theil derselben; denn die
milden Strahlen des Mondes, welche in den Wellen des hohen Meeres zittern,
dringen nicht in diese Grotte. Ueberraschend ist der Uebergang von diesem
Anblicke zu der Ansicht eines friedlichen
Schweizerthales
am
Fusse
des
Montblanc.
Statt jener stürmischen Wogen, Gefahr drohenden Felsen, liegt ein stiller See
im Piemontesischen Gebiete, urngiirtet von blühenden Fluren, auf dessen Fläche
nur die kleinen Nachen der Fischer, die in seinem Schoosse Nahrung suchen,
schweben, von der Morgensonne beleuchtet, vor uns, Links auf einer Anhöhe
ein einsames Kloster, hinter dessen Thurmspitze sich neben der hohen Alpen_
kette, neben dem fernen, erhabenen St. Gotthard, der Jungfrau, dem Schreck-
horn u. s. w., ein Theil des ehrwürdigen Montblanc erhebt. Ueber den grünen-
den vorliegenden Gebirgen steigt dieser Koloss weit über die Wolken; unser
Blick kann ihm nur durch nackte, unfrnchtbare Regionen bis an das in Wolken
verhüllte, sehneeweisse Haupt folgen, dessen höhere Spitze kaum noch als Schat-
ten dem forschenden Auge sichtbar bleibt, und uns im Gefühl unsrer Schwäche
das Entfernte nur noch dunkel ahnen lässt.
An dieses Meisterstück der schaffenden Natur reiht sich in einer folgenden
Darstellung eines der grössten Stücke menschlicher Kunst und Grösse, der
Dom
OH
Milano,
ein Gebäude im edelsten gothischen Style aufgeführt, mit einer unerldliclren
Mannigfaltigkeit der Verzierungen und der grössten Vollendung künstlicher Ar-
beiten geschmückt, mit Thürmen und Statuen in unendlicher Zahl ausgestattet.
Im vierzehnten Jahrhunderte schon legte ein deutscher Baumeister den Grund,
man baute ununterbrochen fort und noch bis auf den heutigen Tag ist der