Nachtrag.
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wiederum für eigene Rechnung aus und verkaufte denselben nachher eben-
falls an Hrn. Gropius, der die Bilder sodann in Berlin und an andern
Orten sehen liess. Ein uns vorliegendes Textblatt, welches bei den spä-
teren Ausstellungen zur Erklärung der Bilder ausgegeben wurde, giebt
eine Idee von der Auffassung derselben und zugleich von der Wirkung,
welche die damals noch so neue Kunst-Technik auf die Beschauer hervor-
zubringen geeignet war Wir halten es nicht für überflüssig, dasselbe
hier in wörtlichem Abdrucke folgen zu lassen:
Perspektivisch-optische
Gemälde.
Einer unsrer jetzt lebenden berühmtesten Künstler, Herr Schinkel in
Berlin, suchte in einer eignen Gattung von Gemälden Gegenstände der Natur
und Kunst dem Auge so darzustellen, dass die Wirkung, welche die Behandlung
gewöhnlicher, schon bekannter Pauoramen für das Auge hat, in ihrer höchst
möglichsten Vollkommenheit nicht nur erreicht, sondern auch bei weitem über-
troffen werde. Wenn das Auge bei Verlegung eines Panoramas, welches nur
den allgemeinen Ueberblick einer ganzen Gegend in weniger bestimmten Gren-
zen beabsichtigt, ungewiss von einem Gegenstande zu dem andern irrt, und,
ohne gewissen Standpunkt, das Bild des Ganzen zwar aufnimmt, die einzelnen
vorzüglich schönen Partien aber in der Masse zahlloser näherer oder entfernterer
Gegenstände verliert oder nur unvollkommen beobachten kann; so gleitet es bei
diesen Gemälden, sobald der Vorhang aufrollt, aus dem magischen Dunkel, wel-
ches es vorher umschloss, durch eine ivohlgeordnete perspektivische Colonade
auf Scenen, welche mit Kunst und Geschmack gewählt, zvveckmässig beleuchtet,
bei einem bestimmten Gesichtspunkte, den forschenden Blick des Verstandes
fesseln, ohne dem freien Fluge der Phantasie Grenzen setzen zu wollen. Das
reizende Land, worin die Wirklichkeit ein lieblicher Traum der Phantasie zu
sein scheint, wo Natur und Kunst Meisterstiicke aufzustellen wetteiferten, gab
dem Künstler Sujets, deren getreue Darstellung schon den Lohn seiner Erfindung
sicherten. Er führt uns zu der Hauptstadt des noch vor zwei Jahrhunderten
so mächtigen, glücklichen und blühenden Freistaats Venedig, dem damals schützen-
den Mäcen der Gelehrsamkeit und schönen Künste. Hier war der Zusammenüuss
von Schätzen aller Welttheile, Venedig die Stadt, um deren Gunst die mächtig-
sten Fürsten sich beeiferten, die Herrscherin der Meere. So sehen wir sie noch
hier. Naht man sich auf dem Adriatischen Meere den friedlichen Lagunen, der
ersten Wiege dieser schönen Stadt, so hat man den Standpunkt, von welchem
der Künstler den herrlichen Theil des
Markusplatzes
den Broglio, umgeben mit den sehenswürdigsten Gebäuden aufnahm. Noch fes-
selt die Ruhe die Menge geschäftiger Venetianer und neugieriger Fremden in
ihren Zimmern und lässt uns ungestört in unsern Beobachtungen. Einzelne
schwarze Gondeln und ein englisches Schiifsboot durchschneiden die Lagunen,
in denen mehrere verschiedene Schiffe ruhig vor Anker liegen. Die Masten der
grössten Kauifahrteisehiife verlieren sich in Nichts gegen den kolossalen Markus-
thurm, welcher sich links hinter dem einen Tlieile des grossen, öffentlichen Ge-
bäudes, welches den eigentlichen Markusplatz umsehliesst, erhebt. Rechts, nahe
an den Lagunen, ist der alte Dogenpalast, im gothisehen, nahe an -den orienta-
lisch-persisehen grenzenden Geschmackes erbaut, hinter welchem sich in einiger
Entfernung die alte Markuskirche und zwei von deren fünf Kuppeln dem Auge
darstellen. Den Hintergrund des Gemäldes schliesst derjenige Theil des grossen
1) Auqh vor
teristisch genug,
der hingebeuden Stimmung, mit welcl
derartige Erscheinungen aufnahm.
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III 3.11
damals
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