Karl
Friedrich
Schiulu
die Behandlung in diesen Sccnen ist wiederum ganz clussisch; die reine,
nackte Körperform herrscht durchaus vor, die Bewegungen entwickeln sich
demgemäss in freier Unmittelbarkeit, in unbefangener Naivetät; aber darin
besteht gerade die Schönheit dieser Darstellungen, dass sie eben, wie die
Antike, das Leben in seiner reinen Natürlichkeit, in Kraft und Unschuld
zugleich, fassen. Von einer Nachahmung der Antike kann hier jedoch gar
nicht die Rede sein, indem diese Darstellungen eben nur auf das Nächst-
liegende, auf das allgemein Menschliche, ausgehen und nur hierin die
Bedeutung des Gebäudes aussprechen. Nicht minder interessant und eigen-
thümlich ist der zweite I-Iauptcyklus, der die Darstellung an den Gewänden
der beiden Portale umfasst; an dem einen derselben sind nämlich die Bil-
der der Architektur in ihrer Bedeutung als schöne Kunst (besonders die
Personificationen der Säulenordnungen), an dem andern die Bilder der
Architektur als Wissenschaft vorgestellt. Es würde zu weit führen, wollte
ich auch noch auf die andern Zier-den dieses merkwürdigen Gebäudes.
das in seinen bildnerischen wie in seinen architektonischen 'l'heilei1 gleiche
Bedeutung für eine neue, auf elassischer Grundlage frei entwickelte Kunst
hat, näher eingehen.
In seinen kirchlichen Entwürfen hat Schinkel im Ganzen wenig von
bildnerischen Darstellungen in grösserem Maassstabe mitgetheilt; als Grund
hiefür darf man wohl annehmen, dass die zumeist beschränkten Mittel
diesen reicheren Schmuck seltner verstattet haben, dann aber auch, dass
von den beileutenderen Entwürfen nur sehr wenige zur Ausführung gekom-
men, somit diese Einzelheiten auch nicht in gleichem Maasse durchgear-
beitet sind. Doch finden sich auch so Andeutungen genug für eine Be-
handlungsweise der hierher gehörigen Darstellungen in classischem Sinne.
wozu natürlich, da die gebräuchlichen Typen derselben bis in das clas-
sische Alterthum hinaufreichen, eine sehr gültige Veranlassung war. Dass
eine solche Behandlungswcise die christliche Auffassung nicht xiothtvendig
beschränke, ist genügend durch die Geschichte der Kunst erwiesen. Aber
gerade für dies Verhältniss findet sich ein merkwürdiges Beispiel in Schin-
kels Entwürfen, welches, wie es scheint, eine besondre Aufmerksamkeit in
Anspruch nimmt: ich meine seine (in verschiednen Heften sich wieder-
holende, wenn auch mehrfach rnoditicirte, Behandlung des Crucifixes,
das zum Altar-schmucke bestimmt ist. Schinkel hat diesem Gcgenstande
eine mehr künstlerische Fassung zu-geben versucht; er stellt den Erlöser
nicht am Kreuze hängend, sondern vor demselben auf einer Kugel stehend
dar, so dass nur die Arme an das Kreuz geheftet bleiben. Um den Unter-
körper des Erlösers hat er ein volleres Gewand geschlagen, zumeist auch
über die Arme des Kreuzes selbst ein teppichartiges Gewrand gehängt, um
so dem Ganzen mehr Fülle und plastische Wirkung zu geben. Diese Dar-
stellung soll natürlich nicht dazu dienen, den Moment der Kreuzigung
selbst zu vergegenwärtigen; sie ist im Sinne der classischen Kunst
symbolischer Art; sie deutet allerdings auf den Opfertod des Erlösers hin,
aber sie fasst den Erlöser nicht als den seinen Qualen erliegenden Meu-
schen, sondern als den Sieger über das Leiden der Welt auf; sie gicht
uns nicht den steten, abschreckcnden Anblick eines zu Tode Gefolterten,
sondern leitet unser Gefühl von dem Opfer zu dessen gnadenreichen Fol-
gen hinüber; sie vrirkt auf unser Gefühl in einer wahrhaft erhebenden
Weise und schliesst sich, auch in Bezug auf die äussere Form, würdig
einer würdigen Umgebung an. Die Darstellung ist in elassischem Sinne